CVP: Christliche oder doch einfach «bürgerliche» Werte?

  1. Dialog des Forums für offene Katholizität im RomeroHaus Luzern

Paul Jeannerat*

Luzern, 30. Oktober 2917

Das Forum für offene Katholizität (FOK) mischt sich in die aktuelle politische Diskussion um Grundwerte, Leitkulturen und klare Normen ein: Im Bildungsjahr 2017-2018 finden sechs so genannte Katholische Dialoge über die gegenwärtig viel bemühten «christlichen Werte» statt.

Beim ersten Dialog dieser Reihe. am 30. Oktober 2017 im RomeroHaus Luzern, wurde gefragt, ob in der aktuellen politischen Debatte die C-Parteien die «christlichen Werte» aus Überzeugung oder Opportunität beschwören. Referenten waren Markus Arnold, Dozent für Theologische Ethik am Religionspädagogischen Institut in Luzern sowie die CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer, Männedorf.

Markus Arnold, Autor von Publikationen zu Politik und Ethik in christlicher Verantwortung, definierte zuerst den Begriff:  «Werte» geben grundsätzliche Handlungsziele an, die aber einen geringen Grad der Konkretisierung aufweisen. Werte prägen unser Ideal-Bild vom Menschen und erlauben das Gute vom Bösen zu unterscheiden. Davon abzugrenzen sind «Normen» als präzise Handlungsanweisungen in konkreten Situationen. Vielen Ethikern ist die Rede von Werten suspekt, weil sie oft schwammig sind.

Anschliessend beantwortete Markus Arnold die Frage, wann Werte in der Politik missbraucht werden, nämlich, wenn sie moralisierend verwendet werden, um eigene Interessen durchzusetzen: Wer von «christlichen» Werten spricht,, muss sich die Frage gefallen lassen, was daran exklusiv christlich ist. Wer von «abendländischen» Werten spricht, muss zuerst sagen, was mit Abendland gemeint ist. Wer so mit unscharfen Begriffen positive Stimmung macht, öffnet die Argumentation für alle möglichen Ideologien. Werte müssen deshalb erstens begrifflich geklärt werden und zweitens in einer Wertehierarchie eingeordnet werden. In der christlich verantworteten Politik hat sich eine grundsätzliche Gemeinwohlorientierung mit Hilfe von Prinzipien (Subsidiarität, Solidarität, Menschenwürde) bewährt.

Barbara Schmid-Federer, Mitglied mehrerer nationalrätlicher Kommissionen im Bereich der sozialen Sicherheit und Gesundheit sowie Präsidentin der parlamentarischen Gruppe Familienpolitik, argumentierte pointiert als überzeugte Christdemokratin. Ihr Kurzreferat über die Werte in den C-Parteien gipfelte im Bekenntnis: «Die Christdemokratie ist eine Bewegung, die man erfinden müsste, wenn es sie nicht geben würde». Für die CVP nimmt sie das jesuanische Bild «Ihr seid das Salz der Erde» in Anspruch: «Christlich motivierte Politik gibt die Hoffnung auf würziges Essen für wirklich alle Menschen nie auf.»

Auf spezielle Aufmerksamkeit stiess Barbara Schmid-Federers Aussage, dass heutzutage ein zentraler, unersetzlicher Wert des demokratischen Rechtsstaates besonders gefährdet ist: die Religionsfreiheit. C-Politik sei dafür zuständig, dass Demokratie und Rechtstaatlichkeit nicht aus dem Gleichgewicht geraten, und dazu gehört die Religionsfreiheit.

Barbara Schmid-Federer gehört einer 1964 ins protestantische Zürich eingewanderten katholischen Familie an. Katholiken waren damals mit denselben Vorbehalten konfrontiert wie heutzutage die Muslime: sie würden sich nicht integrieren, ihre Bräuche gehörten nicht zur zürcherischen Kultur usw. Als christdemokratische Politikerin will sie darum eine konstruktive und realitätsbezogene Sachpolitik leisten, für Katholiken und Protestanten, fern von schwammigen Vorbehalten. Angesichts der Polarisierung der rechten und der linken Parteien möchte sie mit der CVP die politische Mitte stärken und zu Ausgleich und Kompromiss beitragen.

In der Diskussion, geleitet von Thomas Staubli, Dozent für alttestamentliche Theologie an der Universität Freiburg, wurde die Frage nach dem Stellenwert der von der EVP lancierten Kampagne «lebenswerte.ch» gestellt, die zum Ziel hat, «die gemeinsamen Grundwerte der Schweizerinnen und Schweizer» zu definieren. Die beiden Referenten unterstützen diese Aktion nicht, weil sie mehr der parteipolitischen Werbung dient als einer konstruktiven Politik. Der EVP-Vorschlag, vom Bundesrat die Einsetzung einer eidgenössischen Wertekommission zu verlangen, stösst auf recht viel Skepsis.

Das Forum für eine offene Katholizität (FOK) führt seit 2009 in Zusammenarbeit mit dem Verein tagsatzung.ch jährlich sechs Dialoge im RomeroHaus Luzern durch. Sie stehen allen Menschen offen, die einen offenen Katholizismus befürworten. Besonders angesprochen sind Vermittlerinnen und Vermittler der befreienden christlichen Botschaft in Seelsorge und Religionsunterricht, in theologischer Forschung und Lehre, in spiritueller Begleitung und religiöser Weiterbildung und in Öffentlichkeitsarbeit.

Moderator der Dialoge ist der Theologe Thomas Staubli, Dozent für Altes Testament an der Universität Freiburg (Schweiz).

Der nächste, 49. Katholische Dialog findet ausnahmeweise am Sonntag und in Basel statt: 19. November 2017, 16 bis 19 Uhr, im Saal L’ésprit der Heiliggeistkirche, Laufenstrasse 44, Basel. Titel: Populismus und Polemik: Wertediskussion, herausgefordert durch den Rechtspopulismus. Refernten: René Rhinow, Politiker und Lukrezia Meier-Schatz, ehem. Nationalrätin.

Paul Jeannerat, ist Theologe und Journalist und Mitglied des Kernteams «Forum für offene Katholizität».

Forum Offene Katholizität
1. November 2017 | 06:47