Beitrag des VKP auf dem Weg zur Bischofssynode 2023 in Rom

Medienmitteilung

Der Verband Katholischer Pfadi (VKP) vertritt über 12’000 Mitglieder, die rund 100 Deutschschweizer Pfadiabteilungen angehören. Die Pfadiabteilungen sind Teil einer Pfarrei und Mitglied der Pfadibewegung Schweiz (PBS).

Der VKP erarbeitet in engem Austausch mit der PBS Hilfsmittel und Aktivitäten, um die Spiritualität im Verband zu leben und zu fördern. Die PBS selbst ist konfessionsneutral und daher sind die Aktivitäten und Hilfsmittel allen verpflichtet.

Dies entspricht der Haltung von Papst Franziskus, der, wenn er von Jugendlichen spricht, immer alle Jugendlichen auf der Welt anspricht, unabhängig von ihrer Religion und anderen Unterschieden.

Als VKP haben wir die Leiter*innen dazu ermuntert, aktiv am Wir-sind-Ohr-Prozess mitzumachen und sich einzubringen. Wir wissen von vielen Abteilungen, die davon Gebrauch gemacht haben. Als Verband wurden wir auch immer wieder angefragt, ob wir auch Stellung zum Synodalen Prozess nehmen würden. Das machen wir hiermit gerne.

Der von Papst Franziskus  initiierte weltweite synodale Prozess steht unter dem Motto: «Gemeinschaft, Teilhabe, Sendung». Drei Stichwörter, welche auch gut zur Pfadibewegung weltweit und in der Schweiz passen.

Die Pfadibewegung  ist eine grosse Gemeinschaft in der ganzen Welt mit mehr als 50 Millionen aktiven und einem Vielfachen an ehemaligen Pfadi. Wir alle wollen die Welt im Guten bewirtschaften und beleben. Mit unserer Sendung, unseren Werten, unseren Idealen wollen wir die Welt ein wenig besser machen, als wir sie vorgefunden haben. Mit unserer Teilhabe übernehmen wir Verantwortung.

Gemeinschaft – «zäme wyter»

«Zäme wyter» ist der Leitspruch der jugendlichen Pfadi in der Schweiz, der Pios. Miteinander  in der Ge- meinschaft unterwegs zu sein, ist nicht nur für diese Stufe das Leitmotiv, es ist für alle Pfadi der Kern. Diese Gemeinschaft gibt sich Regeln und verpflichtet sich, diese zum Wohle der Menschen – nicht nur der Pfadigruppe – einzusetzen. Dabei werden die Regeln immer wieder geprüft und den Bedürfnissen der Gruppe, aber auch der Umwelt, der Welt, in der wir leben und der wir uns verpflichtet fühlen, ange- passt. Die Veränderungen werden immer von unseren Idealen geleitet, die im Pfadigesetz1 niedergeschrieben sind. So aktualisiert sich die Gemeinschaft regelmässig an den Bedürfnissen der Teilnehmer*innen und der Welt und kann die maximale Wirkung erzielen. Gleichzeitig ist dieser Veränderungsprozess auch immer wieder Selbstreflexion. Manchmal ist diese einfacher, manchmal schwieriger. Manchmal schmerzt sie, manchmal zeigt sie Fehler auf, die nie hätten passieren dürfen. Immer aber macht sie uns und die Bewegung stärker und klarer im Handeln.

Diesen Weg der Gemeinschaft vermissen wir in der Kirche leider. Gerade in der Struktur und in den übergeordneten Gremien ist die Überprüfung der Gemeinschaft, des Wirkens der Gemeinschaft und der Wirkung der Gemeinschaft nicht immer spürbar. Einzelpersonen und Pfarreien vor Ort zeigen die Fähigkeit, die Kirche, die Papst Franziskus träumt, zu leben. Eine Kirche, die sich von den Bedürfnissen der Menschen leiten lässt nicht von der Institution. So, wie es die Pfadibewegung seit ihrem Bestehen tut.

Wenn wir als Gemeinschaft fragen, was die Bedürfnisse sind und wie wir sie als Gemeinschaft erfüllen können, dann müssen  wir auch keine Angst haben, dass der Wandel uns einholt.  Wir spüren bei der ka- tholischen Kirche die Angst, dass die Veränderung der Institution schaden könnte, und damit entfernt sie sich immer mehr von der Gemeinschaft, für die sie eigentlich da sein sollte. Nur über die Veränderung, über die Anpassung an die Bedürfnisse der Menschen, kann eine Gemeinschaft lebendig bleiben und ihre Botschaft lebendig verkünden. Dass die Botschaft Jesu, eine heilbringende positive ist, ist für uns Pfadi klar. Meist können wir sie nicht mehr auf den Grund zurückführen, wissen nicht mehr, woher unsere Werte stammen.  Das liegt aber daran, dass sich unsere Gemeinschaft weg von der Urkirche entwickelt hat, indem sie sich den Bedürfnissen der Menschen angepasst hat. Leider hat sich die Struktur der Kirche nicht im gleichen Masse weiterentwickelt.

Wir möchten weiterhin Teil dieser Gemeinschaft sein, denn wir glauben, dass wir uns gegenseitig be- fruchten können. Aber nur, wenn wir alle bereit sind, unsere Gemeinschaft immer wieder den Bedürfnissen der Menschen (nicht einfach dem Wandel der Zeit) anzupassen und so gemeinsam die Welt zu verändern.

Darum wünschen wir uns eine Kirche, die uns Pfadi sowie die Menschen in der Schweiz und darüber hinaus mitnimmt und «zäme wyter» kommen will. In eine Zukunft, in der die Menschen gleichberech- tigt an der Gemeinschaft arbeiten. Eine Gemeinschaft, die auf die Stärken der Mitglieder schaut und nicht auf ihre Schwächen. Eine Gemeinschaft, die mitnimmt und nicht zurücklässt. Konkret heisst das, dass alle Menschen mit ihrer Berufung ernst zu nehmen sind. Geschlecht, sexuelle Orientierung oder andere Merkmale können und dürfen nicht ausschlaggebend sein!

Teilhabe – «bewusst handeln» und «allzeit bereit»

Die Wahlsprüche der Rover- und der Pfadistufe zeigen, dass die Pfadi bereit sind, sich jederzeit einzubringen.

In diesen unsicheren Zeiten müssen wir Christen immer bereit sein, die Werte des Evangeliums, die uns leiten, zu leben und in die Tat umzusetzen, um Vorbild zu sein. Es gilt, sich immer zu überlegen, wie wir Menschen uns einsetzen können, und sich zu fragen, was Teilhabe von uns verlangt.

Wenn wir bewusst  handeln wollen, dann müssen wir wieder lernen zuzuhören.  Aber nicht nur denen, die alles zu wissen glauben, sondern vor allem denen, die Fragen haben. Denjenigen, die vom Leben erzählen. Denjenigen, die benennen und nicht mit grossen Worten verschweigen. Papst Franziskus for- dert uns auf, zuzuhören, abzuwägen und dann im Lichte des Evangeliums zu handeln. In der katholischen Kirche erleben wir viel zu oft, dass uns gesagt wird, was wir hören sollen und gleich auch noch die Teilhabemöglichkeiten mitgeliefert werden. Dass Kinder und Jugendliche einen anderen Blick auf die Welt haben und diese kreativ gestalten wollen, wird zugunsten von nicht mehr zeitgemässen Tradi- tionen und nicht hinterfragbaren  Dogmen einfach ausgeblendet.

Die Jugend ist das Jetzt Gottes (Christus vivit), stellt Franziskus klar. Es reicht also nicht, dass die Kirche immer nach der Jugend ruft und gleichzeitig den Mahnfinger hochhält: «Sagt uns was ihr wollt, aber …»

Jugendliche wollen nicht lange reden. Wenn sie zugehört und abgewogen haben, dann wollen sie han- deln. Sie wollen teilhaben an der Welt. Als Kirche tun wir gut daran, die Stimme des Jetzt Gottes zu hö- ren und vor allem den Mut zu haben, die Jugendlichen ausprobieren zu lassen.

Die katholische Kirche von heute ist eine Kirche der Generation der 50-Jährigen und Älteren. Warum? Jugendliche wollen mit ihrer Teilhabe etwas bewirken. Bei der Kirche rennen sie offene Türen ein und kommen trotzdem nicht weiter  als in den Gang. Die Teilhabe geht halt doch nicht so weit, dass weitreichende Veränderungen in Betracht gezogen werden.

Allzeit bereit sind die Kinder und Jugendlichen, wenn sie mit ihrer Teilhabe etwas bewirken können. Es muss nicht immer das ganz grosse Ding sein. Die Teilhabe muss lebensweltorientiert sein. Dazu muss die Kirche nicht nur fordern, dass man einander zuhören soll, sie muss selbst lernen, zuzuhören und den Mut haben, das Gehörte in Teilhabe umzusetzen.

Sendung – «mis bescht» und «allzeit bereit»

Pfadi sollen allzeit bereit sein, das Beste zu geben (Wahlspruch der Pfadi- und Wolfsstufe). Das Beste für die Menschen, für die Welt, für die Gemeinschaft. Damit erfüllen wir Pfadi die Forderung, das Evan- gelium zu leben. Wir sind allzeit bereit, diese gute Botschaft in unserem Handeln zu zeigen.

Der Mensch lernt am Vorbild, das ist auch bei den Pfadi nicht anders. Und die Vorbilder sind sich bewusst, dass sie mit ihren Handlungen die Sendung vorleben. Sie zeigen, was sie für wichtig halten, und wollen, dass man mit ihnen auf den Weg geht.

Die Verantwortlichen der Kirche, so haben wir den Eindruck, sind sich viel zu wenig bewusst, was sie vorzeigen.  Es wird viel zu oft das alte Denken des Gehorsams an die Sendung der Kirche gelebt. Wer die richtige Sendung vorlebt, wird auch heute noch zu oft vom Status innerhalb der Kirche abhängig gemacht.  Es ist für Kinder und Jugendliche unverständlich, warum jemand mit einer Weihe mehr recht haben sollte als der*diejenige mit der besten Bildung, der grösste Erfahrung oder am meisten Charisma. Trotzdem suggeriert die Struktur der katholischen Kirche immer noch genau dies.

Dieses «ich lebe die Sendung richtig, schau her» ist eine Realität, die Kinder und Jugendliche nur aus der Schule kennen: richtig oder falsch. Dass das Leben nicht so schwarz-weiss funktioniert, merken die Kinder und Jugendlichen gleich vor der Schulhaustür. Sie suchen nicht noch mehr «Alleswisser», sondern Vorbilder, um sich ihnen anzunähern. Es zeichnet Menschen mit einer Sendung aus, dass sie nicht immer nur recht haben, sondern, dass sie auch zweifeln. Das macht sie zu authentischen Menschen und echten Vorbildern.

Kinder und Jugendliche sehen in den Medien, dass Missbräuche passieren, passiert sind, und nehmen gleichzeitig die Versuche, das alles schönzureden, wahr. Dass man den Missbrauch nicht schönreden kann – und darf! –, wissen die Kinder und Jugendlichen genauso gut, wie sie wissen, dass hinstehen und zugeben weniger Schaden anrichtet  als zu leugnen. Sie wissen auch, dass die Menschen,  die hin- stehen, eine Sendung haben: ehrlich aufzuarbeiten und es besser zu machen. «Mis bescht» heisst auch, dass man jemandem ansieht, dass er*sie sich Mühe gibt und dabei authentisch ist und nicht versucht, perfekt zu sein.

Deshalb fordern wir die kirchlichen Verantwortungsträger auf, die Sendung nicht nur zu beschreiben, sondern sich ihrer selbst bewusst zu sein, Vorbild zu sein: Auch mal zu zeigen, dass sie scheitern  können und ehrlich dazu zu stehen, wenn es geschieht. Damit würden sie die Sendung nicht nur mit Worten vertreten, sondern auch mit Taten.

Als Kinder- und Jugendverband dürfen wir mit Überzeugung sagen, wir wollen Teil dieser Gemeinschaft sein, wir wollen an der Sendung teilhaben, weil wir daran glauben, dass sie das gleiche Ziel hat wie die Pfadibewegung. Dazu brauchen wir aber eine Kirche, die auch unsere Lebenswelt kennenlernen will, nicht nur sagt, wie sie sein soll. Wir brauchen eine Kirche, die keinen Unterschied macht, ob jemand Mann oder Frau ist, eine Kirche, die die Charismen so einsetzt, dass die Welt und die Menschen profitieren. Wir fordern die Kirche auf, von uns zu lernen. Zu lernen, dass Demokratie nicht das schlechteste Gemeinschaftsmodell ist, da eben alle mitreden dürfen. Wir fordern die Kirche auf, den Worten des Papstes zu folgen und zuzuhören. Wir wünschen uns eine Kirche, die nicht nur über Kinder und Jugendliche redet, sondern auch mit ihnen. So wie wir es in den Jugendverbänden vorleben.

Wir wünschen uns eine Kirche, die mit Mut und Optimismus die Zeichen der Zeit sieht und danach handelt.

1 Wir Pfadi wollen:

… offen und ehrlich sein

… andere verstehen und achten

… Freude suchen und weitergeben

… miteinander teilen

… unsere Hilfe anbieten

… Sorge tragen zur Natur und allem Leben

… uns entscheiden und Verantwortung tragen

… Schwierigkeiten mit Zuversicht begegnen

Thomas Boutellier / Barny, Verbandspräses  VKP            Michael Weber / Pelé, Verbandsleiter VKP