Als Gastgeber zum Impulsabend Diakonie konnte Kirchenratspräsident Pfarrer Wilfried Bührer (links) Referentin Eva Niedermann und Kirchenmusiker Jochen Kaiser begrüssen, die mit Informationen, Musik und Gesang die Spurensuche nach «sorgenden Gemeinschaften» begleiteten

Auf Spurensuche nach neuen sorgenden Netzwerken

Medienmitteilung: «Caring Communities» weckt auch im Thurgau Interesse. Netzwerke mitmenschlicher Sorge sind in den Besuchsdiensten der Kirchgemeinden vorhanden. Die Impulstagung fragte, wie neue «sorgende Gemeinschaften» entstehen können.

«Caring Communities» ist in aller Munde. Die Fachkommission Diakone der evangelischen Landeskirche Thurgau hatte dazu vergangenen Donnerstag ins Kirchenzentrum «Viva» nach Frauenfeld eingeladen.

Neue «Ethik der Achtsamkeit»

Eva Niedermann, Fachmitarbeiterin Alter und Generationen, der Reformierten Kirche Kanton Zürich, machte deutlich, warum Kirchgemeinden gute Voraussetzungen bieten, um in der Gesellschaft eine neue «Ethik der Achtsamkeit» entstehen, aufleben und wachsen zu lassen. In ihrer Einführung in die Gedankenwelt der «sorgenden Gemeinschaften» machte Eva Niedermann deutlich, dass die Beziehung zwischen sorgenden und umsorgten Menschen nicht eindimensional bleibt: «Jemand der Sorge und Zuwendung nötig hat, kann immer auch selber Sorge geben.» Als Beispiel, wie aus einen umsorgten Menschen eine Sorgende wurde erzählte sie, wie eine hilfsbedürftige Betagte ihre Helferin gefragt habe, ob sie nicht eine Aufgabe für sie wüsste. Diese antwortete: «Er wäre gut, wenn Du für mich beten würdest, meine Grossmutter hat das immer gemacht.»

Quartierarbeit

Die Referentin verstand es ausgezeichnet, den rund 50 Teilnehmenden bei der Spurensuche nach «sorgenden Gemeinschaften» – sogenannten «Caring Communities» zu helfen. Fündig wurden die Tischgesprächsgruppen zum Beispiel bei den Besuchsdiensten und anderen gelebten Formen des zivilgesellschaftlichen Engagements in Kirche und Gesellschaft. Sie entdeckten zahlreiche Hinweise, wo in den Thurgauer Kirchgemeinden und darüber hinaus in den Familien, in der Nachbarschaft, in den Quartieren und in den Dörfern und Städten bereits Netzwerke bestehen, in denen sich Freiwillige engagieren. Ein älterer Teilnehmer erkannte im Kirchenchor ein Netzwerk der mitmenschlichen gegenseitigen Sorge und Achtsamkeit. Andere berichteten von ihren Erfahrungen mit Besuchsdiensten, die zum Teil zusammen mit den Katholiken und der politischen Gemeinde oder mit der Spitex, mit Pro Senectute oder mit Frauenvereinen getragen werden. Die Spurensuche hatte damit begonnen, dass die Besucherinnen und Besucher von Eva Niedermann und von Kirchenmusiker Jochen Kaiser durch das biblische Gleichnis vom Barmherzigen Samariter geführt wurden. Die Gedankenanstösse wurden durch Musik und durch bekannte und vertraute Kirchenlieder wie etwa «Wer nur den lieben Gott lässt walten» unterstützt.

«Ich bekomme viel zurück»

In der Austauschrunde über bereits bestehende Sorgenetze wurde die Referentin von einer Jungseniorin bestätigt, die sich als Freiwillige im Besuchsdienst engagiert: «Ich bekomme viel zurück – zum Beispiel Dankbarkeit und ich habe von den umsorgten alten Menschen viel für meinen eigenen Umgang mit dem Alter gelernt.»

Pensionierung als Auslöser

Neue «sorgende Gemeinschaften» entstünden aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre immer durch einen bestimmten Auslöser, der Menschen veranlasse selbst tätig zu werden. Auch für die kirchliche Arbeit könnte es wichtig sein, solche Auslöser aufzunehmen und Menschen, die sich um andere sorgen wollten, ein Gefäss anzubieten. So zählten in den letzten Jahren frisch pensionierte Männer statistisch zur wichtigsten Altersgruppe von Menschen, die sich neu engagieren liessen für zivilgesellschaftliche und freiwillige Aufgaben.

Andrang bei «Letzte-Hilfe-Kursen»

Einen «unglaublichen Andrang» hätten in der Zürcher Landeskirche die seit einigen Jahren angebotenen «Letzte-Hilfe-Kurse» erlebt. Die «Umsorge» von und für Menschen am Lebensende sei offenbar ein brennendes Thema. Offensichtlich bestehe bei den Menschen ein Bedürfnis, über die letzten Dinge im Leben zu sprechen. Das Angebot «Letzte-Hilfe-Kurs» werde sowohl besucht von mit Menschen, die eng verbundenen sind mit Kirche wie auch von Kirchendistanzierten. Eva Niedermann zieht daraus den Schluss: «Man traut uns als Kirche zu, dass wir zum Umgang mit dem letzten Lebensabschnitt etwas zu sagen haben.»

Ernst Ritzi

Als Gastgeber zum Impulsabend Diakonie konnte Kirchenratspräsident Pfarrer Wilfried Bührer (links) Referentin Eva Niedermann und Kirchenmusiker Jochen Kaiser begrüssen, die mit Informationen, Musik und Gesang die Spurensuche nach «sorgenden Gemeinschaften» begleiteten | © zVg
Evangelische Landeskirche des Kantons Thurgau
5. April 2019 | 14:47