Eine Zeitreise durch die christliche Schweiz

Hier sind Sie zu einer Schweizer Reise auf den Spuren des Christentums freundlich eingeladen. Als Ausgangspunkt wählen wir Basel, die einzige Konzilsstadt auf Schweizer Boden.

Die Konzilsstadt auf Schweizer Boden

Basel wurde nach der Christianisierung im 7. Jahrhundert Bischofssitz. Erster Sitz des Bischofs von Basel war Augusta Raurica (Kaiseraugst), die in der Nähe von Basel ausgegrabene römische Stadt. In dieser Stadt muss in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts eine christliche Gemeinde entstanden sein, die mit jener von Aventicum (Avenches), der Hauptstadt der Helvetier, zu den frühesten christlichen Gemeinden auf dem Gebiet der heutigen Schweiz gehört; in karolingischer Zeit wurde der Bischofssitz nach Basel verlegt. Im Mittelalter entwickelte sich Basel dann zum geistigen und geistlichen Zentrum des oberen Elsass. Die Galluspforte am Nordquerschiff des Münsters ist das früheste voll ausgebildete romanische Figurenportal des deutschen Kulturraumes. Kirchlich von besonderer Bedeutung wurde Basel am Ende des Mittelalters mit dem Reformkonzil (1431-1449), dem die Stadt ihre Universität, die erste auf dem Gebiet der heutigen Schweiz, verdankt; europäische Bedeutung erlangte die Stadt vor allem mit dem Humanistenkreis um Erasmus von Rotterdam. In der Zeit der Reformation traten die meisten Humanisten zum neuen Glauben über, der Fürstbischof wurde aus Basel vertrieben und nahm Wohnsitz in Pruntrut (im heutigen Kanton Jura).

Im 20. Jahrhundert erhielt Basel mit der 1925-1927 entstandenen Antoniuskirche die erste wirklich moderne Kirche in der Schweiz. Von Basel aus empfiehlt sich ein Ausflug in den Jura mit einem Besuch eines ehemaligen Juraklosters. Nach der Errichtung der fränkischen Oberherrschaft im 6. Jahrhundert wurde die gallorömische kirchliche Tradition von der irofränkischen abgelöst, was namentlich beim kirchlichen Aufbau zutage trat. So entstand in St-Ursanne Mitte des 7. Jahrhunderts eine Mönchsgemeinschaft, aus der im 9. Jahrhundert ein Benediktinerkloster hervorging, das im 12. Jahrhundert in ein Chorherrenstift umgewandelt und 1793 aufgehoben wurde. Noch heute sehenswert ist vor allem das Figurenportal, das im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts ein vorher vermutlich in Basel tätiger Meister geschaffen hat.

Heilige und Heiligenlegenden in der Schweiz

Über die Bundeshauptstadt Bern führt der Weg nach Freiburg i.Ü., das mit seiner staatlichen «katholischen und internationalen» Universität das katholische Zentrum der Westschweiz ist. Als Bischofssitz sind in Freiburg die schweizerisch gewordenen Gebiete der spätantiken Bistümer Lausanne und Genf vereinigt. In der Reformation mussten die Bischöfe von Genf und Lausanne nach Savoyen fliehen. Der Bischof von Lausanne residierte von 1613 an in Freiburg; nach der Aufnahme Genfs in die Eidgenossenschaft 1814 wurden die nun schweizerischen Gebiete des ehemaligen Bistums Genf dem Bistum Lausanne zugeschlagen; deshalb heisst das Bistum heute «Lausanne, Genf und Freiburg». Ein spirituell wichtiger Ort in Freiburg ist das Grab des Heiligen Petrus Kanisius.

Von Freiburg geht es weiter nach St-Maurice, mit dem die Legende um die Martyrer der Thebäischen Legion verbunden ist. Der Ort wurde schon länger als Pilgerort betreut, als die katholisch gewordenen Burgunder im 6. Jahrhundert dort ein Kloster gründeten, das heute ein Augustiner-Chorherrenstift ist. Einzigartig ist sein Kirchenschatz, der weithin im Zusammenhang mit dem über Jahrhunderte gepflegten Mauritiuskult steht. St-Maurice war nach Martigny auch kurze Zeit Bischofssitz des spätantiken Bistums Sitten; seit dem letzten Drittel des 6. Jahrhunderts ist der Kantonshauptort Sitten Bischofssitz. Auf dem Weg nach Sitten kommen wir an Ecône vorbei, wo sich die Priesterbruderschaft St.Pius X. des Erzbischofs Marcel Lefebvre 1970 niedergelassen hatte. In Sitten empfiehlt sich der Besuch der Stiftskirche Notre-Dame-de-Valère auf dem Hügel, auf dem wohl die erste Kathedrale gebaut worden war; die Schwalbennestorgel von Valère aus dem 14. Jahrhundert ist eine der ältesten noch spielbaren Orgeln der Welt.

Vom Wallis aus gibt es eine gute Verbindung in den Süden, auch in den Kanton Tessin. Kirchlich gehörte dieser Kanton bis 1888 zu den Bistümern Como und Mailand; die zu Mailand gehörenden Täler heissen bis heute «ambrosianische Täler», weil in ihren Kirchen die Liturgie im ambrosianischen Ritus gefeiert wurde. Ganz im Süden gelegen ist das Baptisterium Riva San Vitale aus dem 5./6. Jahrhundert, das älteste noch erhaltene kirchliche Gebäude der Schweiz. Wer genügend Zeit hat, besucht noch eines der von Mario Botta gebauten Bergkirchlein.

Vom Tessin führt der Weg weiter in den Kanton Graubünden, in dessen Tälern auf der Alpensüdseite italienisch und auf der Alpennordseite romanisch und deutsch gesprochen wird. Sein Hauptort Chur ist seit dem 5. Jahrhundert Bischofssitz, nachdem Chur im 4. Jahrhundert Sitz des Praeses der römischen Provinz Raetia prima geworden war.

Einst im alamannischen Bistum

Von «Rätien» her erreichen wir alamannisches Gebiet, jenen Raum östlich der Aare und südlich von Bodensee und Hochrhein, der vom 6. Jahrhundert an von Alamannen besiedelt wurde. Diese Besiedlung prägt bis heute die sprachlich-kulturelle Grenze zwischen Nordost- und Südwestschweiz. Kirchliche gehörte dieses Gebiet als «Schweizer Quart» zum Bistum Konstanz, bis sie 1814 von Konstanz abgetrennt wurde.
In dieser «Schweizer Quart» besuchen wir über Luzern, das bis in die jüngste Zeit als Zentrum des Deutschschweizerischen Katholizismus angesprochen werden konnte, zwei bedeutende Wallfahrtsorte: das Grab des «Nationalheiligen» Bruder Klaus in Flüeli-Ranft und Maria Einsiedeln. Als der Mystiker und Asket Niklaus von Flüe hoch geachtet starb, war Huldrych Zwingli drei Jahre alt. Als Leutpriester am Zürcher Grossmünster stiess er eine Erneuerungsbewegung an, die zur deutsch-schweizerischen Reformation wurde.

Wie St-Maurice ist auch Einsiedeln eine Gebietsabtei; beide Äbte sind deshalb Mitglieder der Schweizer Bischofskonferenz. Wie Einsiedeln hat auch St. Gallen, das wir auf dem Weg nach Konstanz besuchen, eine barocke Klosteranlage. Seit 747 Benediktinerkloster, wurde St. Gallen 818 Reichsabtei; 1803 wurde das Kloster aufgehoben, und nach der Trennung der «Schweizer Quart» vom Bistum Konstanz wurde der Kanton St. Gallen 1847 Bistum. In den Klosteranlagen sind heute Räume des Bistums, des Kantons und vor allem der berühmten Stiftsbibliothek, auf deren Besuch nicht verzichtet werden sollte, untergebracht.
In Konstanz überschreiten wir die Schweizer Grenze, sind aber immer noch in der Kulturlandschaft, die keine Landesgrenzen kennt die durch die Abtei St. Gallen, das Kloster Reichenau und den Bischofssitz Konstanz geprägt bleibt.

Rolf Weibel

6. August 2014 | 13:22
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