Pierre Bühler
Schweiz

«Biblische Geschichten sind auf heute übertragbar»

Bern, 22.1.18 (kath.ch) Am letzten Wochenende hat in Bern ein internationales Politfestival stattgefunden. Mit dem Titel «Teilhabe für Alle! Da, wo wir leben» hatte auch ein biblisch-theologischer Workshop Platz. Obwohl nur eine kleine Gruppe daran teilnahm, war die Diskussion rege und interessant, wie Pierre Bühler in einem Gastkommentar schreibt.

Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Festivals (18. Bis 20. Januar) waren überhaupt nicht kirchlich orientiert. Es war dann auch eine eher kleinere Gruppe, die sich für diesen Workshop am Samstagnachmittag versammelt hat, aber die anderthalbstündige Diskussion war rege und interessant.

Von Kurt Marti inspiriert

«Geselligkeit ist Gottes Name»: Diese Überschrift war von Kurt Marti inspiriert, der in einem Gedicht von dieser «geselligen Gottheit» spricht, die keine Berührungsängste kennt, sondern sich immer wieder neue Geselligkeiten sucht, «die vibriert vor Lust, vor Leben», die «überspringen will auf alles, auf alle».

Konkret ging es im Workshop darum, das Thema des Festivals, die Teilhabe für alle, aus biblisch-theologischer Sicht zu beleuchten. Wir arbeiteten mit einigen Texten aus dem Alten und dem Neuen Testament, um zu entdecken, wie sich in der Bibel partizipative, integrative Modelle des Zusammenlebens entwickeln.

Der Fremde bei euch

Zum Beispiel den Fremden gegenüber, wenn es etwa im 3. Buch Mose (Leviticus) Kapitel 19,34 heisst: «Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst». Begründet wird diese Haltung in der eigenen Fremdheitserfahrung des Volkes: «Denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen».

Auch in den urchristlichen Gemeinden entwickelt sich ein offenes Zusammenleben, das den einzelnen Mitgliedern Teilhabe gewährt. Damit werden traditionelle soziale und kulturelle Barrieren überwunden, wie sich etwa im Brief des Paulus an die Galater, Kapitel 3,28 zeigt: «Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.»

Paulus betont die fundamentale Gleicheit aller.

Ganz besonders grosses Interesse fand der Text im 1. Brief des Paulus an die Korinther, Kapitel 12, der die Gemeinschaft wie einen Leib beschreibt, in dem alle verschiedenen Organe beteiligt sind, und jedem eine jeweils wichtige Rolle zukommt. Einer zerstrittenen Gemeinde gegenüber, in der einige Hierarchien aufstellen, sich als Superapostel von den anderen abgrenzen, betont Paulus die fundamentale Gleichheit aller. Ja, er bemüht sich sogar, den Teilen, die weniger beachtenswert sind, die vielleicht als unanständig gelten, eine besondere Ehre zukommen zu lassen.

Auf Heute übertragbar

Alle im Raum waren sich einig: Solche biblischen Akzente liessen sich problemlos auf die heutige Gesellschaft übertragen. Und es würde erlauben, immer wieder aufkommende Hierarchien zu bekämpfen, wie der gesellige Gott ohne Berührungsängste auf die Kleinen, Ausgegrenzten und Unterdrückten einzugehen und sie in ihrer entscheidenden Rolle zu würdigen.

*Pierre Bühler ist emeritierter Pofessor für Systematische Theologie, insbesondere Hermeneutik und Fundamentaltheologie

Pierre Bühler | © zVg
22. Januar 2018 | 12:41
Lesezeit: ca. 2 Min.
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