Blick auf Sion
Schweiz

Vielfalt statt «Gott» in der Walliser Verfassung

Sitten, 15.11.18 (kath.ch) «Im Namen des allmächtigen Gottes!» Soll die künftige Walliser Verfassung so beginnen oder nicht? Nein, sagt der Ethiker und Jurist Johan Rochel in seinem Gastkommentar. Denn Vielfalt habe Vorrang vor der Religion.

Das Wallis befindet sich in einer Übergangsphase, und «Vielfalt» könnte durchaus ein Schlüsselwort dieses Übergangs sein. Die Herausforderung für die 130 gewählten Vertreter im Verfassungsrat besteht darin, einen Text zu formulieren, der in der Lage ist, die Entwicklungen der nächsten 50 Jahre vorwegzunehmen.

«Die Zahl der Konfessionslosen nimmt zu.»

Im Hinblick auf die religiösen Überzeugungen zeigen sich zwei grundlegende Entwicklungen. Zum einen nimmt die Zahl der Konfessionslosen stark zu. Im Jahr 2000 gaben vier Prozent der Walliser an, konfessionslos zu sein. Im Jahr 2016 waren es bereits 14 Prozent, in der ganzen Schweiz 24 Prozent – Tendenz steigend, wie die Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen.

Andererseits hat sich die Art und Weise, wie Menschen ihren Glauben praktizieren, grundlegend verändert. Im Jahr 2016 nahmen in der Schweiz 71 Prozent der Gläubigen pro Jahr an weniger als sechs Gottesdiensten teil. Darüber hinaus gibt es eine Entwicklung hin zu neuen Formen der Spiritualität. Die wichtigsten ethischen Überzeugungen basieren heute nicht mehr nur auf einer Religion, sondern auf verschiedenen spirituellen Formen.

«In der Vielfalt spiegeln sich die Freiheiten aller wider.»

Mit dem Schlüsselwort Vielfalt lassen sich diese Entwicklungen erfassen. In dieser Vielfalt spiegeln sich die Entscheidungen und Freiheiten von allen wider. Die Vielfalt zu achten bedeutet daher, der Freiheit aller Bürger den gebührenden Platz einzuräumen.

Freiheit und Respekt – zwei Schlüsselwerte des «Appel citoyen» – erfordern daher eine Präambel, die so umfassend wie möglich ist. Die Verfassung ist das Werk freier und gleichberechtigter Menschen, vereint durch den Ehrgeiz, die Grundlagen für das Zusammenleben zu schaffen.

«Der erste Satz muss einschliessen, nicht ausschliessen.»

Alle sollen sich in ihrer ganzen Vielfalt in der symbolischen und politischen Botschaft der Präambel wiederfinden können. Dieser erste Satz, der die Grundlagen verdeutlicht, auf denen die Verfassung aufbauen wird, muss daher einschliessen, nicht ausschliessen. (cath.ch/Übersetzung: sys)

Hinweis: Die Gegenposition vertritt der Walliser Priester Michel Salamolard:

 

 

 

Blick auf Sion | © Zaubervogel/pixelio.de
15. November 2018 | 05:01
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Wahl des Verfassungsrats am 25. November

Im März haben die Walliser einer Totalrevision ihrer Kantonsverfassung zugestimmt. Am 25. November werden die 130 Mitglieder des Verfassungsrats gewählt, welche die Verfassung ausarbeiten werden. Zur Wahl stehen über 600 Bürgerinnen und Bürger aus politischen Parteien und Bürgergruppierungen. Zu einer solchen Gruppierung – dem «Appel Citoyen» – gehört auch der Jurist und Ethiker Johan Rochel. (sys)