Gedanken zum Sonntag: eine neue Geldwirtschaft

Gedanken zum Sonntag, 24. Juni 2018 (Geburt Johannes des Täufers)

Bibeltexte: Jes 49,1-6; Apg 13, 16.22-26; Lk 1,57-66.80

Thomas Wallimann*

«Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…» schreibt Hermann Hesse in seinem berühmten Gedicht «Stufen». Häufig erfahren wir das, was neu ist, nicht als Zauber, sondern mehr als Schreck. So erschreckte die Vollgeldinitiative und verwirrte nicht wenige. Ähnlich erging es auch den Eltern von Johannes dem Täufer, dessen Geburt wir an diesem Sonntag feiern.

Zu ihrem grossen Erstaunen überbringt ein Engel Elisabeth und Zacharias die Botschaft, dass sie noch im hohen Alter Eltern werden sollen. Zacharias, ein Priester, der sich mit dem Religiösen auskennt, bezeichnet dies nüchtern als etwas Unmögliches und verliert daraufhin seine Stimme. Zur Botschaft des Engels gehört auch, dass dieses Kind den Namen Johannes tragen soll – ganz gegen die Tradition! Denn niemand in der Verwandtschaft von Elisabeth und Zacharias heisst so. Das Neue stellt alles Gewohnte auf den Kopf. Worin mag nur der Zauber in diesem angekündigten Neuen liegen, das nicht nur aussergewöhnlich ist, sondern die Betroffenen auch noch erschreckt?

Der Ruf Gottes ist nicht einfach ein unbedenklicher Neuanfang, der gelassen hingenommen wird. Von Elisabeth wird erzählt, dass sie sich während der Schwangerschaft für fünf Monate in die Einsamkeit zurückzog. Auch die verlorene Stimme des Zacharias wie auch die Zeit in der Wüste ihres Sohns Johannes, bevor aus ihm der Täufer wurde, trägt in sich die Qualität der Einsamkeit und der Betrachtung. Der erste Schritt, den Zauber im Neuen zu entdecken, ist Rückzug. Erst die Einsamkeit schafft den Raum für das «Bei-sich-selber-Sein» und die Betrachtung, den Zauber zu entdecken und so dem Neuen zum Leben zu verhelfen.

Wir kennen aus der Geschichte die Botschaft von Johannes dem Täufer: «Kehr um und glaube an das Reich Gottes!» Er benennt das Neue und macht es in der Taufe sichtbar und erfahrbar. Dies alles muss geschehen, bevor schliesslich das Neue, nämlich Jesus und seine die Welt verändernde Botschaft, bei den Menschen ankommen kann.

Der Zauber des Anfangs, Gottes Anliegen, liegt vielleicht weniger im Neuen selber als im Prozess! Vielleicht soll auch die Vollgeldinitiative mit ihrem Erschrecken weiterwirken, damit wir mit mehr Zeit für Stille und Einsamkeit den Zauber entdecken, uns von einer neuen Art von Geldwirtschaft inspirieren zu lassen. Wenn etwas Neues uns erschreckt, können wir darauf zählen, dass Gott uns etwas sagen und damit eine menschlichere Welt bewirken will. Die entscheidende Frage ist: Nehmen wir uns die Zeit für Reflexion, um den Zauber zu entdecken?

*Thomas Wallimann-Sasaki ist Theologe und Sozialethiker. Er leitet das Institut für Sozialethik «ethik22» in Zürich und ist Präsident a.i. der Nationalkommission Justitia et Pax der Schweizer Bischofskonferenz.

 

Thomas Wallimann | zVg
23. Juni 2018 | 15:08
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