Aller guten Dinge sind drei – zum Papstbesuch beim ÖRK

Luzern, 18.6.18 (kath.ch) Welche Bedeutung hat der Besuch von Papst Franziskus am Donnerstag beim Weltkirchenrat für die Ökumene im 21. Jahrhundert? Der Luzerner Theologieprofessor Wolfgang W. Müller* legt in einem Gastkommentar für kath.ch dar, welche neuen, globaleren Themen der Papst aus Argentinien bei diesem Treffen einbringen wird.

Nach Papst Paul VI. (1969) und Papst Johannes Paul II. (1984) kommt auch Papst Franziskus am 21. Juni auf Einladung des Weltkirchenrats (ÖRK) nach Genf. Der Weltkirchenrat sprach die Einladung anlässlich seines 70-jährigen Bestehens aus. Ein Treffen mit Bundesratspräsident Alain Berset und eine Eucharistiefeier im Genfer Palexpo runden den eintägigen Besuch des Papstes in der Stadt Calvins ab.

«Das ökumenische Anliegen besitzt für den Papst eine Priorität.»

Der Akzent des Treffens liegt eindeutig auf der Ökumene. Der Besuch selbst zeigt die Bedeutung der Ökumene in diesem Pontifikat an und ist diesbezüglich in Verbindung mit zwei weiteren Begegnungen zu sehen: dem Treffen mit Patriarch Kyrill I. in Kuba und dem Besuch des Papstes in Lund beim Lutherischen Weltbund anlässlich des Reformationsjubiläums. Beide Besuche fanden im Jahr 2016 statt. Das ökumenische Anliegen besitzt für den Papst eine Priorität.

Im Unterschied zu den beiden vorausgegangenen Besuchen eines Papstes im Weltkirchenrat stehen für den aktuellen Papst nicht nur die doktrinären Fragen im Mittelpunkt, sondern auch die Verbindung von Lehre und Pastoral. Er wird die Arbeit des Weltkirchenrats aus der Perspektive eines Mannes sehen, den die Kardinäle «fast vom Ende der Erde geholt haben», um ihn zum Pontifex zu wählen. Die Chancen dieses dritten Besuchs sind wohl in der Akzentuierung der gemeinsamen Basis aller christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zu sehen. Diese Pluralität ist einem Bürger, der aus einem klassischen Einwanderungsland Lateinamerikas entstammt, nicht unbekannt.

«Die Entwicklung des ÖRK ging verstärkt in eine globale Richtung.»

Die Fragen der Ökumene werden durch diesen Besuch sicherlich in einer globaleren Perspektive betrachtet als bei den vorausgegangenen Besuchen eines Papstes beim ÖRK. Die Entwicklung des ÖRK ging in den Jahren nach den gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen in Mittel- und Osteuropa verstärkt in eine globale und kosmopolitische Richtung. In der Periode des Kalten Kriegs war der Sitz des ÖRK in Genf eine Drehscheibe für die politischen Player dieser Periode: die USA und die UdSSR.

Für Papst Franziskus erhält die Ökumene ihre Berechtigung nicht durch eine rein soziologische Begründung, sondern sie ist eine Frucht im Geist des Evangeliums. Das Fehlen der Einheit der Kirche ist für ihn ein Skandal, der dem Wunsch Christi zuwiderläuft: «Alle sollen eins sein» (Johannesevangelium 17,21). Diese geistliche und spirituelle Verankerung des Dialogs bedarf auch der gesellschaftlich-politischen Dimension der Christusnachfolge. Hier werden sicherlich Migration, Ökologie, soziale Gerechtigkeit, Rassismus sowie die Friedensthematik eine Rolle bei der Genfer Ansprache des Papstes spielen.

«Die ökumenische Zusammenarbeit kann zu neuen Formen der Nachfolge im Geist Jesu führen.»

Die Chancen des Besuchs bestehen wohl in der Wertschätzung der Brüder und Schwestern anderer christlichen Kirchen und Gemeinschaften. Dieser Dialog und die ökumenische Zusammenarbeit können zu neuen Formen der Nachfolge im Geist Jesu führen. Die Begrenzung dieses Besuchs wird jedoch darin bestehen, dass keine dogmatischen Entscheidungen im Hinblick auf die bestehenden konfessionellen Differenzen formuliert werden.

 *Der Dominikaner Wolfgang W. Müller ist Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät und Leiter des Ökumenischen Instituts der Universität Luzern.

Wolfgang W. Müller | © zVg
18. Juni 2018 | 12:16
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