Gedanken zum Sonntag: Den Sonntag könnte man streichen. Oder?

Zum 3. Juni 2018 – Neunter Sonntag im Jahreskreis (Markusevangelium 2,23/3,6)

von Ingrid Grave*

Wozu eigentlich ist der Sonntag da? Früher, da musste oder sollte man in unseren christlich geprägten Ländern am Sonntag in die Kirche gehen. Das war eine Art Druck, den wir  weitgehend abgelegt haben. Gott sei Dank, sagen die einen und gehen einfach dann in die Kirche, wenn es ihnen danach ist. Anderen ist es nie danach, und sie halten dies ebenfalls für richtig und gut.  Druck und Zwang sind dem allgemeinen Wohlbefinden nicht förderlich.

Am Sonntag soll man das tun, was einem behagt, was einem gut tut, wobei man sich erholt.

Spielen, wandern, lesen, Sonne geniessen, Freunde treffen… sich ausruhen. Eine gute Einrichtung, dieser Sonntag!

Viele Länder mit anderen religiösen Prägungen kennen den Sonntag gar nicht. Dafür kennen sie religiöse Festzeiten und –tage, an denen der von Arbeit gefüllte Alltag in den Hintergrund tritt.

Wie sind wir – in unseren christlichen Breiten – überhaupt zu einem Sonntag gekommen?

Wir haben diese kluge Einrichtung aus dem Judentum übernommen. Jeder siebte Tag galt der Ruhe für den  Menschen und seine Nutztiere. Ebenso waren dadurch Mägde und Knechte gesetzlich vor Ausbeutung geschützt. Ein sehr sozialer Gedanke.

Zur Zeit Jesu hatte das Judentum eine detaillierte und ausgeklügelte Gesetzgebung – religiös begründet. Doch in vielen Bereichen führte die buchstabengetreue Einhaltung im Alltag zu einer Belastung. Genau daran entzündeten sich für Jesus heftige Konflikte (Mk 2,23 – 3,6) mit den Gesetzeshütern seiner Zeit. Ist es am Tag der Ruhe – dem Sabbat – erlaubt, einen Kranken zu heilen? Im Vorbeigehen an einem Getreidefeld für den Hunger einige Ähren zu rupfen? Ein Fall von geduldeter Gesetzesübertretung, weil es um das Wohl eines Menschen geht? In einer solchen Auseinandersetzung hält Jesus seinen Widersachern entgegen: Der Sabbat ist für den Menschen da, und nicht der Mensch für den Sabbat.

Genau das ist es auch für uns heute. Niemand wird bestraft, wenn er am Sonntag arbeitet. Aber immer mehr Menschen sind gestraft durch Sonntagsarbeit. Zugunsten der Wirtschaft! Ihrem stetigen Wachstum soll der Mensch sich opfern. Wirklich?

Ein  Sonntag mit weniger Hektik, mit weniger Einkauf, mit mehr Ruhe, das wär’s doch! Denn der Sabbat ist für den Menschen da, damit dieser Zeit findet, sich selbst zu orten in seinen Bezügen zu Gott und Welt.

*Ingrid Grave ist Dominikanerin in Zürich, wo sie sich in der Seelsorge engagiert.

Schwester Ingrid Grave | © zVg
2. Juni 2018 | 14:38
Lesezeit: ca. 2 Min.
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