Braucht es eine Alternative zur jetzigen Wirtschaft?

Luzern, 12.3.18 (kath.ch) Diese Woche findet in Brasilien das 14. Weltsozialforum statt. Dieses beschäftigt sich mit alternativen Wirtschaftsformen.  Warum das wichtig ist, erklärt David Knecht*, zuständig für das Programm «Alternatives Wirtschaften» beim Hilfswerk Fastenopfer, in seiner Kolumne zur Fastenzeit.

«Alternatives Wirtschaften» ist ein kecker Titel für ein Programm und quasi eine Ansage: «Achtung, nun geht’s los, jetzt machen wir’s anders». Aber wieso? Heute versteht man unter dem Wort «Wirtschaft» alle wirtschaftlichen Akteure: Also Unternehmen, Haushalte und Individuen, die über ihr Handeln Nachfrage und Angebot bestimmen. Im Idealfall decken sich diese beiden und alle sind zufrieden. Das würde voraussetzen, dass alle Menschen sich gleichermassen Gehör verschaffen können, persönlich oder über Dritte.

Das aktuelle Wirtschaftssystem bevorzugt Reiche.

Doch das aktuell dominante Wirtschaftssystem bevorzugt in krassem Übermass die Interessen der reichsten Individuen und der Megakonzerne. Die 42 reichsten Menschen besitzen gleichviel wie die ärmeren 50 Prozent der Weltbevölkerung.  Anders gesagt: Würde man das Weltvermögen gerecht aufteilen, hätte jede und jeder rund 56’540.– Dollar auf dem Konto, wie Oxfam International, der Verbund von Hilfs- und Entwicklungsorganisationen, im Januar publizierte. Das wäre doch was!

Es braucht ein System, das auf das Gemeinwohl ausgerichtet ist.

Aber auch künftigen Generationen wird das aktuelle System kaum gerecht. Die Weltgemeinschaft hat zwar das Pariser Klimaabkommen in Rekordtempo ratifiziert. Aber die von den Staaten angekündigten Emissionsreduktionen reichen keineswegs aus, um die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Wir sind weit entfernt von einer Welt, in der alle Menschen – sowohl aktuelle wie künftige Generationen – gleichermassen berücksichtigt werden.

Dazu braucht es ein System, das auf das Gemeinwohl ausgerichtet ist und nicht auf die Interessen Einzelner. Ein System, in dem wir uns einbringen können und mitentscheiden können über die gewünschte Produktion. Eine solidarischere Wirtschaftsform. Das Weltsozialforum bietet gute Gelegenheit, solche alternativen Wirtschaftsmodelle zu diskutieren.

Im Kongo wird die Einführung einer Komplementärwährung diskutiert.

Viele unserer Partnerorganisationen streben schon in diese Richtung. In der Demokratischen Republik Kongo etwa werden Dorfgemeinschaften unterstützt, dass sie sich in Solidaritätsgruppen organisieren, um einander in prekären Situationen gegenseitig zu helfen und über gemeinschaftlich bewirtschaftete Felder die familiären Einkünfte zu ergänzen. Auch wird die Einführung einer Komplementärwährung diskutiert. Für die beteiligten Familien ist das in erster Linie eine Strategie zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und nicht eine Frage der Weltsicht. Die Strategie baut auf den bestehenden und traditionellen Dorfstrukturen auf.

Auch bei uns tut sich etwas.

Auch wenn bei uns die Vorzeichen anders aussehen: Von solch solidarischen Gemeinschaften, die es erlauben, dass sich alle am sozialen, politischen und kulturellen Leben beteiligen können, können wir viel lernen und diese angepasst auch in der Schweiz umsetzen. Auch für diesen Austausch ist das Weltsozialforum wichtig. Erfreulich ist, dass sich da auch bei uns etwas tut.

In der Deutschschweiz werden die Ideen der «Gemeinwohlökonomie» und des «kollaborativen Wirtschaftens» diskutiert; in der Romandie hat sich eine Wirtschaftskammer der «Economie sociale et solidaire» (soziale und solidarische Wirtschaft) etabliert, in der Unternehmen den Einfluss ihrer Produktion auf Umwelt und Mitmenschen reflektieren. Im Wallis, in der Genfersee-Region, aber auch in Basel und Winterthur kann man mit Lokalwährungen bezahlen. Im Jura wiederum wird mit der Kryptowährung «FairCoin» experimentiert, diese ist dezentralisiert und beschäftigt sich mit sozialer Gerechtigkeit und Gleichheit der Nutzer. Auch Kollektive von Nahrungsmittel- oder Energieproduzierenden gibt es verschiedene in Zürich, Bern und darüber hinaus. Diese Initiativen gilt es zu fördern, im Norden wie im Süden.

* «Für eine Welt, in der alle genug zum Leben haben»: Die Ökumenische Kampagne von «Fastenopfer» und «Brot für alle» macht auf Initiativen und Bewegungen aufmerksam, die einen ressourcenschonenden, massvollen Lebensstil anstreben. Während der Fastenzeit schreiben Mitarbeiter von Fastenopfer über ihre persönlichen Erfahrungen in solchen Bewegungen oder zum Thema Wertewandel.

 

 

 

Versammlung von Solidaritätsgruppen in der Demokratischen Republik Kongo | © Fastenopfer
12. März 2018 | 05:21
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!