Gedanken zum Sonntag: Hinter verschlossenen Türen

Gedanken zum Sonntag, 8. April, zweiter Sonntag der Osterzeit (Johannesevangelium 20,19-31)

* Ingrid Grave*

Ja, hinter verschlossenen Türen sassen sie. Nicht eingesperrt, sondern freiwillig! Aus Furcht!

Die Angst war begründet, denn diese Männer galten als Kollaborateure desjenigen, der vor einigen Tagen als Verbrecher hingerichtet worden war: Jesus von Nazareth.

Allen war klar, dass es sich um einen Justizmord gehandelt hatte, worüber sie jetzt hinter den verriegelten Türen wohl kaum noch Empörung empfanden. Eher war die Stimmung bedrückend, denn sie alle hatten ihren besten Freund und verehrten Meister in seinen letzten schrecklichen Stunden elendiglich allein gelassen.  Das nagte zweifellos an ihnen, zusätzlich zu ihrer Trauer.

In diese innere Friedlosigkeit hinein tritt er plötzlich mitten unter sie. Sie erkennen ihn. Er ist es! Sein Wort: Friede sei mit euch!

Das muss überwältigend gewesen sein. Sie scheinen unbewegt. Er hält seine Hände hin. Sie sehen die Wundmale der Kreuzigung. Die Seitenwunde, ihm zugefügt durch den Lanzenstich des römischen Soldaten. Da endlich kommt Bewegung in ihre Gefühle: Sie freuten sich, ihren Meister zu sehen, so heisst es im Text.

Doch: War Jesus nicht tot? Der Lanzenstich hatte es bewiesen, dass der Gekreuzigte tot war. Wie konnte ein Toter vor ihnen stehen? Das ist jetzt nicht ihre, sondern unsere Frage. Einer von ihnen allerdings war nicht dabei. Er hiess Thomas. Er war es, der nachher genau das sagte, was auch wir sagen: Solange ich den Toten nicht selber gesehen habe, glaube ich nicht.

Der Verfasser des Textes nimmt den Faden der Erzählung wieder auf, indem er Jesus acht Tage später erneut durch verschlossene Türen in den Kreis der Jünger treten lässt. Dieses Mal ist Thomas dabei. Und wieder dieser Gruss des Friedens. Und dann die ganz persönliche Hinwendung zu dem Skeptiker. Man spürt förmlich wie Thomas in der Begegnung mit Jesus innerlich zusammensinkt: «Mein Herr und mein Gott.»

Es gibt eben Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir, vom Rationalismus Geprägte, nicht in den Griff bekommen. Der echte Glaube muss in vielen Dingen ohne eine strikte Beweisführung auskommen. Das fällt der stolzen Ratio schwer. Der Glaube ist demütig, kennt den Zweifel, ist aber weder naiv noch leichtgläubig. Wer glaubt, «sieht» mehr und «fühlt» tiefer. Ihm öffnen sich verschlossene Türen, durch welche echter Friede einzieht in Herz und Gemüt.

*Ingrid Grave ist Dominikanerin in Zürich, wo sie in der Seelsorge engagiert ist.

Schwester Ingrid Grave | © zVg
7. April 2018 | 14:04
Lesezeit: ca. 2 Min.
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