22/2003

INHALT

Kirche in der Schweiz

Glaube, Hoffnung und Liebe - Bischofs- und Lebensmotto

von Bischof Ivo Fürer

 

Nach der zweiten Herzoperation verzichtete alt Bischof Otmar Mäder auf einen weiteren Eingriff. Er war bereit, zu sterben. Am Freitagnachmittag, 25. April, hat ihn nun Gott im 82. Altersjahr zu sich gerufen, durfte er eingehen in den ewigen Frieden, den er sich so sehr gewünscht hat. Mit seinen Angehörigen und Freunden trauert das ganze Bistum St. Gallen.
Krankheit und Erschöpfung gehörten zum Leben von Otmar Mäder, nicht erst in den letzten Jahren. Trotz gesundheitlicher Störungen entschied er sich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, mit der Theologischen Fakultät der Jesuiten von ihrem Exilort Sitten nach Innsbruck zu ziehen, wo ihm die mangelnde Ernährung zusätzliche Probleme machte. Dort lernte ich ihn auch kennen und staunte schon damals über seine Fähigkeit, komplizierte Dinge ­ beispielsweise den damaligen Stand der Atomforschung ­ einfach darzulegen. Als Vikar in Flawil und St. Otmar-St. Gallen arbeitete er oft ohne Rücksicht auf seine Kräfte Tag und Nacht bis zum Zusammenbruch. Davon erholen konnte er sich in der ihm sehr lieb gewordenen Pfarrei Alt St. Johann. Als Pfarrer in Ricken musste er viele Wochen im Dunkeln verbringen und Teile seines Gedächtnisses intensiv trainieren. Gesundheitliche Störungen hatten ihn 1994 dazu bewogen, nach 18-jähriger Amtszeit seinen Rücktritt als Bischof einzureichen.
Der verstorbene Bischof erlebte aber auch gesundheitlich gute Jahre. Jahre, in denen er als begeisterter Bergsteiger herausfordernde Hochtouren machen und sich auf dem Weg zu den 4000er-Gipfeln im Wallis von den Alltagslasten befreien und Kraft für seine Aufgaben schöpfen konnte.

Der Liturgiker

Otmar Mäder pflegte als Vikar und Pfarrer schon vor dem Konzil die Liturgie in vorbildlicher Weise. Seine Erfahrungen und Einsichten gab er in Kursen und Vorträgen gerne weiter. Noch heute denken viele Seelsorgerinnen und Seelsorger dankbar an seine Hilfeleistungen zurück. Mit praktischen Anregungen und Kursangeboten setzte er sich für eine gute, in die Tiefe gehende Reform der Liturgie im Sinn des Zweiten Vatikanischen Konzils ein. Die Anfänge der heute sehr wichtigen und ausgebauten Ministrantenseelsorge hat Otmar Mäder als junger Seelsorger stark mitgeprägt.

Der Katechet

Alt Bischof Otmar Mäder wird vor allem als begabter Katechet in die Geschichte des Bistums eingehen. Seine grosse Gabe war es, Glaubensinhalte so weiterzugeben, dass die Adressaten, ob Primarschüler, Eltern oder Senioren, sie verstehen und sich dafür begeistern lassen konnten. Legendär ist seine Moltonwand ­ damals das aktuellste didaktische Hilfsmittel ­ geworden, auf die er im Unterricht und bei Vorträgen seine Figuren aufsetzte. Wie sehr Otmar Mäder Menschen in ihrem Innersten ansprechen konnte, wurde Kindern, Paten und Eltern an den von ihm gespendeten Firmungen bewusst.
Als hervorragender Katechet schuf Otmar Mäder den katechetischen Lehrplan für die deutschsprachige Schweiz. Er war ein gefragter Referent an Tagungen der von ihm mitgegründeten Schweizerischen Katechetenvereinigung, des Deutschen Katechetenvereins oder am Europäischen Kongress in München. Mit beeindruckender Sachkompetenz vertrat er die Schweizerische Bischofskonferenz an der Welt-Bischofs-Synode über Katechese. Er hat damals auch die ökumenische Zusammenarbeit im Unterricht betont.

Der Prediger

Otmar Mäders Fähigkeit, sich der Zuhörerschaft anzupassen, zeigte sich auch in seinen Predigten, in denen er seine präzis und überlegt gewählten Worte oft mit weit ausholenden Gesten verdeutlichte. Beliebt waren seine Fastenpredigten in der stets übervollen Kathedrale über Themen wie Busse, Gebet, Eucharistie, Bibel, aber auch über Hoffnung und Vertrauen.
Sonntägliche Abendrunden mit den Mitarbeitenden im Klosterhof erheiterte er mit Anekdoten, mit fröhlichen Begebenheiten. Selber konnte er dabei ebenfalls herzlich lachen.

Der Jugendseelsorger

Als ein Beitrag des Bistums zum Jahr der Jugend war 1985 ein diözesanes Jugendfestival mit rund 2000 Teilnehmenden in Appenzell durchgeführt worden. Dieses Ereignis förderte die Jugendarbeit im Bistum. 1991 wurde die Daju, die Diözesane Arbeitsstelle für Jugendseelsorge, gegründet, die dann ihrerseits ab 1993 die ökumenischen Jugendbegegnungstage im Klosterbezirk St. Gallen organisierte.
Kostbar waren Otmar Mäder die Erinnerungen an seine frühere praktische Arbeit in der Jugendseelsorge und insbesondere an die Ferienlager mit den Jungwächtlern.

Der Beter und Briefschreiber

Den Schluss seiner Sommerferien verbrachte er immer mit ein paar stillen Tagen im Flüeli-Ranft, denn der hl. Bruder Klaus bedeutete ihm sehr viel, weil er, wie er einmal sagte, «ein Leben lang ein ringender, ein suchender und oft auch ein sehr leidender Mensch war, der aber nie seine Hoffnung verloren hatte». Otmar Mäder war ein grosser Beter. Dass wir zu Beginn der Ordinariatssitzungen zum Hl. Geist beteten, war ihm ein wichtiges Anliegen. Er verband dieses Gebet mit einer geistlichen Einführung. In sein Gebet schloss Otmar Mäder die vielen Anliegen der Gläubigen ein, vor allem auch jener, die sich persönlich an ihn wandten. Die vielen Briefe, welche er als Bischof geschrieben hat, sind Zeugnis für sein Bemühen, die Nöte der Menschen zu verstehen.

Der Seelsorger

War Josephus Hasler der Bischof des Konzils und der Synode 72, war Otmar Mäder Bischof in der Zeit, da die grossen kirchlichen Weichenstellungen in den Pfarreien verwirklicht werden mussten. Als Pfarrer und Seelsorger hatte er die Synode 72 (1972­1975) aktiv mitgestaltet. In der Vorbereitung war er Sekretär der Interdiözesanen Kommission «Glaube und Glaubensverkündigung». Unermüdlich informierte er die Gläubigen und motivierte er sie zum Mitdenken und Mittragen. Als Bischof machte er dann den Gläubigen die Synodentexte in jährlich wechselnden pastoralen Schwerpunkten zugänglich.
Die Churer Bistumswirren hatten Otmar Mäder während seiner Zeit als Präsident der Schweizer Bischofskonferenz sehr zu schaffen gemacht. Vor allem aber belastete den Seelsorger, der er auch als Bischof blieb, der zunehmende Priestermangel. Zu Beginn seiner Amtszeit 1976 waren im Bistum 308 Priester tätig, am Ende waren es noch 230 und davon ein grosser Teil bereits im Pensionsalter. Glücklicherweise nahm in dieser Zeit die Zahl der Laien im kirchlichen Dienst von 27 (1976) auf 170 (1995) zu. Daraus ergaben sich allerdings auch neue Probleme. Bischof Otmar bemühte sich intensiv um eine gute Zusammenarbeit zwischen Priestern und Laien im kirchlichen Dienst. Im Jahr 1993 führte er grundsätzlich die Weihe von ständigen Diakonen im Bistum ein.

Diener an der Einheit

Für Otmar Mäder war der Dienst des Bischofs vor allem ein Dienst an der Einheit und an der Zuversicht. Das nach längerer Vorbereitungszeit im September 1987 in St. Gallen durchgeführte Bistumstreffen zum Thema «ufbreche» war für ihn ein Lichtblick, bewies es doch, dass das Bistums über alle Unterschiede hinweg eine Einheit bildet.
Bereits nach seinem Rücktritt als Bischof hatte sich Otmar Mäder ins Private zurückziehen wollen, denn so wie er mit aller Konsequenz für alle öffentlich Bischof war, so wollte er mit der gleichen Konsequenz wieder einer unter allen sein. Auf Wunsch des Personalchefs wirkte er dann aber doch noch einige Jahre als Primissar an seinem früheren Wirkungsort in Muolen ­ bis sein Herz nicht mehr mitmachte.
«In Glaube, Hoffnung und Liebe» war der Wahlspruch von Bischof Otmar. Der Verkündigung des Glaubens stellte er sein ganzes Geschick und seine vollen Kräfte zur Verfügung. Er bemühte sich, dem Jammer über gegenwärtige Entwicklungen zu widerstehen und aus einer tiefen Hoffnung auf das anbrechende Reich Gottes seine Aufgabe zu erfüllen. In allem sah er sich als Zeuge der Liebe Gottes zu den Menschen. Nach seinem 80. Geburtstag schrieb er in einem Dankesbrief: «Alles Schöne, das ich erleben, und alle Liebe, die ich erfahren durfte, haben in mir den Glauben an das Gute gestärkt und liessen mich meinen Weg in zuversichtlicher Hoffnung gehen.» Diese Hoffnung hat ihn auch auf dem Weg vom Leben in den Tod begleitet.


© Schweizerische Kirchenzeitung - 2003