13/2001

INHALT

Theologie

Das Fanal von Golgota (Mk 15,33)

von Erwin Tanner und René Hassanein

 

Wenn heutige Theologen sich wissenschaftlich mit der markinischen Kreuzigung Jesu von Nazara<1> befassen, dann schweigen sie sich entweder über das Phänomen der Finsternis aus oder streifen es nur (aber immerhin) beiläufig. Die totale Sonnenfinsternis vom 11. August 1999 entfachte hingegen eine lebhafte populärwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem biblischen Beschrieb in Mk 15,33 parr.<2> Eine knappe aktuelle konzertierte wissenschaftliche Untersuchung über die historische, astronomische und theologische Realität fehlt jedoch. Der vorliegende Artikel versucht nun abrissmässig in drei Schritten einen Beitrag zur Füllung dieser Lücke zu leisten: In einem ersten Schritt geht es um die chronologische Vernetzung der Kreuzesfinsternis (1). In einem zweiten Schritt liefert die Untersuchung chrono- und chorometrische Daten von Sonnen- und Mondfinsternissen im Rahmen der Resultate der chronologischen Vernetzung (2). Schliesslich hält ein dritter Schritt die verschiedenen Deutungen und Bedeutungen der in Mk 15,33 erwähnten Finsternis fest (3). Abschliessend folgt eine Zusammenfassung (4).

1. Chronologische Vernetzung der Finsternis in Mk 15,33

Nach Mk 15,42 in Verbindung mit den Angaben von 14,1.12 und 15,1 und unter Berücksichtigung der markinischen Verquickung der griechisch-römischen und jüdischen Tageszeitrechnung<3> laufen die römische Strafverfolgung, Aburteilung und Strafvollziehung unter der Leitung von Pilatus im Zeitraum von der Frühe bis zum Abend des Rüsttages zum Sabbat bzw. des ersten Pesachfesttags<4> ab. Das auf Tod durch Kreuzigung lautende Urteil wird also (1) am sechsten Tag der jüdischen Woche, (2) am ersten Pesachfesttag und (3) in der Amtsperiode des Pilatus gefällt und vollstreckt.
Aus diesen Angaben lassen sich der Tag, der Monat und das Jahr der Hinrichtung ableiten. Offensichtlich ereignet sich die Kreuzigung an einem Freitag, der mit dem ersten Tag des Pesachfestes zusammenfällt. Da der Zeitpunkt des Festbeginns durch die Kombination von präzessions- und nutationsbestimmtem (solarem) Ekliptikstandort und Mondphasenabschnitt bestimmt wird,<5> liegt der Pesachkult immer im gleichen Zeitraum innerhalb derselben Jahreszeit. Als massgebende astronomische Daten legen das Frühlingsäquinoktium um den 21. März (Tagundnachtgleiche zum Frühjahrsanfang: Zeitpunkt, zu dem die Sonne auf ihrer scheinbaren jährlichen Wanderbahn im Schnittpunkt von Ekliptik und Himmelsäquator steht) und der auf den ersten Frühlingsneumond bzw. das erste Frühlingsneulicht (die nach zirka 2 bis 3 Tagen nach Beginn des Schwarzmondes am westlichen Abendhimmel auftauchende, feinleuchtende Sichel) folgende Vollmond die Feiertage gemäss dem jüdischen Lunisolarkalender<6> auf Mitte des Monates Nisan fest. Mithin setzt das Pesachfest nach streng astronomischen Berechnungen nach etwa 14,75 Tagen der konjunktional beginnenden und zirka 29,5 Tage dauernden Lunation in der 15. Abend-Nacht-Zeit des Mondmonats ein; da jedoch der jüdische Kalendermonat<7> ­ im konkreten Fall: (mit aus dem babylonischen Kalender stammendem Namen) Nisan ­ erst mit dem von wenigstens zwei glaubwürdigen Personen beobachteten und vor der am 29. Tag jedes Mondmonates zusammentretenden Jerusalemer Kalenderkommission eidlich bezeugten und durch diesen Ausschuss proklamierten Neulicht beginnt,<8> verschiebt sich das Datum des Vollmondes unter idealen atmosphärischen Beobachtungsbedingungen um 1­2 Tage nach vorne in der Regel auf die 13. Abend-Nacht-Zeit nach dem Neulicht, selten auf die 12. oder 14.<9>
Allein unbeschadet dieser Tatsache beginnt das Pesachfest vielleicht unter dem Einfluss der babylonischen, das Frühlingsäquinoktium künstlich auf den 15. des Kalendermonats verschiebenden Astronomie<10> immer 1­2 Tage nach Vollmond oder wohl eher nach rechnerischer Korrektur des Monatsbeginns durch die Komputisten in Richtung Konjunktion Sonne­Mond<11> bei Vollmond in der 15. Abend-Nacht-Zeit des Kalendermonates Nisan<12>. Daraus folgt die Datierung der Kreuzigung Jesu gemäss dem Evangelium nach Markus auf Freitag, den 15. Nisan, der in den Zeitraum eines Frühlingsvollmondes fällt.
Urteils- und Vollstreckungsbeamter ist Pilatus (vgl. Mk 15,1ff.). Mit dieser Person bzw. aus der Verknüpfung ihrer biblischen Erwähnung mit ihren geschichtlichen Spuren lässt sich der jahresmässige Zeitrahmen der Exekution abstecken. Als mit ausschliesslicher, jedoch tatbestandsmässig streng limitiert an jüdische Gerichte konzedierbarer Blutgerichtsbarkeit (potestas gladii) ausgestatteter<13> Präfekt von Judäa<14> in den Jahren 26 bis 36 unserer Zeitrechnung<15> erkennt Pilatus im Falle der Synhedristen gegen Jesus biblisch konturiert prozessual, durch den Kreuzestitel<16> (Mk 15,26) indiziert und mit den rechtshistorisch plausiblen Kreuzigungsgründen<17> der Landesfeindschaft (perduellio) und des Majestätsverbrechens (crimen maiestatis populi Romani imminutae) auf Tod durch Kreuzigung (ibis in crucem). Unter synoptischer Zuhilfenahme des Synchronismus in Lk 3,1f.<18> im Zusammenhang mit Johannes' des Täufers öffentlichem Auftritt unter Beachtung der geschichtlich wahrscheinlichsten Komputation der Tiberius'schen Amtszeit<19> in Verbindung mit der mutmasslichen Dauer des öffentlichen Wirkens Jesu von zirka einem Jahr oder weniger bis zu etwas über 2 Jahren<20> lässt sich schliesslich der für das Fanal von Golgota massgebliche Zeitraum von 29 bis 34 unserer Zeitrechnung ermitteln.
Mittels Verknüpfung der astronomisch berechneten und beobachtbaren Schwarzmonde und Neulichter zu den Frühlingszeiten innerhalb dieses Zeitraumes mit der Identifikation des 15. Nisans mit einem Freitag wird in der (notabene zur [johannäischen] Todesdatierung auf den 14. Nisan des Jahres 30 [= 7. April 30] oder 33 [= 3. April 33] unserer Zeitrechnung tendierenden und erstgenannte Zeitangabe bevorzugenden) Forschung bei Beachtung allfälliger Monatsinterkalationen sogar das exakte Todesjahr zu ermitteln versucht; in Frage kommen die Jahre 31 (bzw. 27. April 31) und 34 (bzw. 23. April 34), wobei allerdings Ersteres in der Regel aus meteorologisch-atmosphärologischen Gründen ausgeschlossen wird und Letzteres aus jesubiographischen Gründen.<21> (Dieser Genauigkeit ist allerdings wenigstens mit äusserster Zurückhaltung zu begegnen; sie ist nach Meinung der Autoren R. H. und E. T. nicht ohne grosse astronomische, meteorologische und komputistische Not rekonstruktabel!)

2. Chrono- und chorometrische Daten von Sonnen- und Mondfinsternissen im Zeitraum von 29 bis 34 unserer Zeitrechnung<22>

Mk 15,33 als klar im kompositorischen, auf der Tagesstundenzählung von Sonnenaufgang bis -untergang basierenden Chronologieverbund des Todestages Jesu (bzw. von Mk 15,1.25 [wohl Interpolation].33.34.42) zu sehender Textbaustein der Markus-Passion<23> nennt als Begleiterscheinung des Golgotadramas eine stundenmässig terminierte, sonst nicht näher bestimmte Finsternis, deren historischer Realitätsgrad unter dem Gesichtspunkt einer von Jerusalem aus beobachtbaren Mond- oder Sonnenfinsternis in den folgenden Ausführungen implizit anhand astronomischer Berechnungen explizit im Resultat kommentiert tabellarisch und grafisch erfasst wird: «Als die sechste Stunde kam [oder anders gesagt um 12 Uhr], brach über das ganze Land eine Finsternis herein. Sie dauerte bis zur neunten Stunde [bzw. bis 15 Uhr].»<24>

Sonnen- und Mondfinsternisse sind spezielle Konstellationen von Sonne, Mond und Erde:
Während einer Sonnenfinsternis steht der Mond exakt zwischen Sonne und Erde. Damit ist eine kleine Fläche der Erde im Schatten des Mondes. Eine solche Finsternis ist nur zur Zeit des Neumondes möglich und bei Tag sichtbar.
Dagegen ist der Mond bei einer Mondfinsternis von der Erde aus gesehen exakt auf der gegenüberliegenden Seite der Sonne, so dass er im Schatten der Erde liegt. Mondfinsternisse sind nur zur Zeit des Vollmondes möglich und bei Nacht sichtbar.
Da Sonnenfinsternisse nur von einem kleinen Teil der Erde aus sichtbar sind, während Mondfinsternisse von der halben Erde aus beobachtet werden können, sind Sonnenfinsternisse an einem bestimmten Ort entsprechend viel seltener.

2.1 Mondfinsternis

Der Bereich hinter der Erde, wo kein Lichtstrahl der Sonne hingelangt, wird Kernschatten genannt. Halb-schatten heisst die Zone, wo die Erde einen Teil der Sonne abdeckt, doch vom anderen Teil gelangen direkte Lichtstrahlen von der Sonne in den Halbschatten.
Der Kernschatten der Erde bildet natürlich einen Kreis, der vom Halbschatten umgeben wird. Meistens verläuft die Mondbahn ober- oder unterhalb des Schattens, dann herrscht Vollmond. Streift der Mond den Halbschatten, ohne aber den Kernschatten zu berühren, spricht man von einer Halbschatten-Finsternis. Streift der Mond den Kernschatten, erleben wir eine partielle Finsternis. Taucht der Mond ganz in den Kernschatten ein, herrscht eine totale Mondfinsternis.

Tabelle 1 zeigt, dass in Jerusalem 18 Mondfinsternisse zwischen 26 und 36 zu beobachten waren (bei gutem Wetter), davon 7 zur Zeit des Frühlingsbeginns. Die Zeit (von, bis) bezeichnet den Eintritts- bzw. Austrittszeitpunkt des Mondes in bzw. aus dem Halbschatten.


Mondfinsternisse der Jahre 26-36

 Datum Zeit
von
 
bis
Typ Grösse Sichtbarkeit in Jerusalem

16.08.0026-17.08.0026 23:32 04:32 partiell  59% gut sichtbar
11.01.0027 05:51 08:36 Halbschatten  37% vor bzw. bei Sonnenaufgang/Monduntergang sichtbar
09.02.0027 18:21 21:00 Halbschatten  32% gut sichtbar
07.07.0027 19:47 23:17 Halbschatten  52% gut sichtbar
31.12.0027-01.01.0028 19:12 00:03 partiell  67% gut sichtbar
25.06.0028-26.06.0028 19:21 01:13 partiell  79% gut sichtbar
14.06.0029-15.06.0029 22:03 03:59 total 145% gut sichtbar
09.12.0029-10.12.0029 22:54 04:02 partiell  52% gut sichtbar
29.11.0030 05:26 07:54 Halbschatten  24% vor bzw. bei Sonnenaufgang/Monduntergang sichtbar
25.04.0031 17:21 21:49 partiell  35% bei bzw. nach Sonnenuntergang/Mondaufgang sichtbar
07.10.0032 12:57 18:46 total 157% bei bzw. knapp nach Sonnenuntergang/Mondaufgang sichtbar
03.04.0033-04.04.0033 19:50 01:12 partiell  61% gut sichtbar
27.09.0033 01:03 06:09 partiell  85% vor bzw. bei Sonnenaufgang/Monduntergang sichtbar
24.03.0034 00:45 03:16 Halbschatten  25% gut sichtbar
16.09.0034 17:53 21:10 Halbschatten  60% bei bzw. nach Sonnenuntergang/Mondaufgang sichtbar
07.08.0035-08.08.0035 22:08 03:17 partiell  63% gut sichtbar
31.01.0036 14:39 20:18 total 185% bei bzw. nach Sonnenuntergang/Mondaufgang sichtbar
27.07.0036 04:53 10:58 total 169% knapp vor bzw. bei Sonnenaufgang/Monduntergang sichtbar

Tabelle 1: Von Jerusalem aus beobachtbare Mondfinsternisse zwischen den Jahren 26 und 36. Fett markiert sind die Ereignisse rund um den Frühlingsbeginn.


Die Grösse der Finsternis bedeutet beim Typ

 

2.2 Sonnenfinsternis

Bei Sonnenfinsternissen werden 3 Typen unterschieden:

Meistens aber verläuft die Mondbahn ganz ober- oder unterhalb der Sonne. Dann herrscht Neumond.
Mit dem Finsternistyp global ist gemeint, wie man die Finsternis wahrnimmt, wenn man seinen Standort auf der Erde so wählt, dass man möglichst wenig von der Sonne sieht. Der Typ lokal bezeichnet, wie die Sonnenfinsternis an einem bestimmten Ort (hier in Jerusalem) wahrgenommen wird.
Die maximale Bedeckung gibt an, welcher Teil des Sonnendurchmessers vom Mond abgedeckt wird. Mit der Zeit (von, bis) wird bezeichnet, wann der Mond von Jerusalem aus gesehen die Sonne zum ersten Mal berührt, bis er sie wieder vollständig freigibt.
Der Kernschatten des Mondes bewegt sich auf der Erde von Westen nach Osten. Je näher die Totalitätszonen, die Spuren des Kernschattens, bei Jerusalem verlaufen, desto grösser ist die maximale Bedeckung.

3. Deutung und Bedeutung der Finsternis in Mk 15,33

Die astronomischen Ausführungen zu den Sonnen- und Mondfinsternissen über Jerusalem in den historiologisch debattierten Todesjahren Jesu (30, 31, 33 und 34 unserer Zeitrechnung) (siehe 1, Abschnitt 3; 2, Abschnitt 2) und zur Mondphase um die Pesachzeit bzw. in der 15. Abend-Nacht-Zeit des Kalendermonates Nisan (siehe 1, Abschnitt 2) führen zu folgendem Ergebnis:

  1. Da Jesu Kreuzigung zur Pesachzeit bzw. um die Vollmondzeit (Mond von der Erde aus in Opposition zur Sonne) erfolgt, ist die Annahme einer dazu synchronen Sonnenfinsternis (Mond von der Erde aus in Konjunktion zur Sonne) ­ wie Lk 23,44f. synoptisch singulär suggeriert ­ unhaltbar; sie wird von
  2. Mk 15,33 keinesfalls nahegelegt (siehe 2, Abschnitt 1). Hingegen zieht das Mk-Ev möglicherweise die den Schauplatz von Golgota dramatisierende diachrone Aufnahme der stundenschematisch ungefähr passenden Sonnenfinsternis vom 6. Februar 26, 24. November 29 oder 12. September 33 unserer Zeitrechnung (siehe 2.2, Tabelle 2) in Betracht.<25>
  3. Da in Mk 15,33 eine wesensmässige Qualifikation der Finsternis fehlt, ist hier auch eine in der Frühlingsvollmondphase mögliche Mondfinsternis in Erwägung zu ziehen; denkbar ist die Kombination der Kreuzigung mit der Mondfinsternis vom 25. April 31, 3./4. April 33 oder 24. März 34 unserer Zeitrechnung (siehe 2.1, Tabelle 1). Freilich sind solche Eklipsen nur am Nachthimmel im weiteren astronomischen Sinn sichtbar und passen daher nicht in das markinische Tagesstundenschema des Golgotageschehens.
  4. Die astronomischen Fakten schliessen also eine reale Sonnen- oder Mondfinsternis im Zeitraum der Kreuzigung aus; demzufolge liegt der ekliptische Inhalt und Gehalt entweder auf geo- oder anthropo- oder theonomer Erklärungsebene. Die Forschung zieht auf der erstgenannten Ebene der Sonnenfinsternis in ihrer atmosphärischen Auswirkung analoge, mit sehr unterschiedlicher allgemeiner Wahrscheinlichkeit in und um Jerusalem eintretende irdische Phänomene in die prüfende Überlegung ein wie Wolken von ausgespeiter Vulkanasche, Wolken von aufgewirbeltem Sand aus einem Wüstensturm oder Wolken einer vorüberziehenden Gewitterfront.<26> Nach Ansicht des Autors E.T. lassen sich diese zwar momentan aussergewöhnlichen, aber jederzeit wiederkehrenden Sachverhalte aus textinterpretativen Gründen (Einmaligkeit des Substantivs skotoV [skotos = Finsternis] innerhalb des Mk-Ev [allein in 15,33] [grammatischer Grund], dessen Wortstamm nur noch im Verb skotizomai [Infinitiv Präsens Passiv; skotizomai = verfinstert werden] in Mk 13,24 vorkommt [systematischer Grund], dessen unmittelbarer Kontext thematisch in prophetisch-apokalyptischer Tradition fusst [historischer Grund] und so dieser Wortgruppe eine apokalyptische Note oder zumindest einen Hauch von Apokalyptik verleiht [teleologischer Grund])<27>, nicht unter den Tatbestand von Mk 15,33 subsumieren.
  5. Auf der anthroponomen Ebene assoziiert das Wort Finsternis in Mk 15,33 nicht einfach indirekt eindeutig ein sinnliches Naturschauspiel, sondern es affiziert im menschlichen Bewusstsein direkt mehrdeutig ­ und daher potenziell paradoxal ­ die Annahme eines übersinnlichen menschlichen Vorgangs im Zusammenhang mit der Kreuzigung; die Finsternis in Mk 15,33 hat insoweit symbolische Bedeutung. Als Verständnisbrücke im christlich religiösen Erfahrungsstil will diese Finsternis vielleicht Folgendes heissen:<28> Angesichts der endgültigen Beseitigung des Sohnes Gottes aus dieser Welt durch die Kreuzigung kommt die expansive Möglichkeit der totalen dunklen Glaubensverirrung und Gottferne des Menschen bzw. seiner gottlosen Sündenverfallenheit in ihrer zeitlich beschränkten, Angst einflössenden und letztlich tödlichen Wirkung ans helle Tageslicht. Eine solche Exegese ist nach Meinung des Autors E.T. freilich äusserst spekulativ, weil textuell und kontextuell losgelöst bzw. zu retrospektiv und einseitig psychologisch konstruierend, und wird so leicht zur Eisegese.
  6. Schliesslich bleibt die Deutung und Bedeutung der Finsternis in Mk 15,33 auf theonomer Ebene. Wegen ihrer apokalyptischen Note oder wenigstens ihres apokalyptischen Hauchs (siehe 3, [3]) stellt diese Finsternis ein Phänomen jenseits von Raum und Zeit dar, dessen Ursache, Steuerung und Wirkung von Gott selbst ausgeht. Zwischen ihr und der historischen Kreuzigung Jesu besteht sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht kein (textuell primärer) Zusammenhang; denn im Gegensatz zur Kreuzigung fehlt bei der Finsternis die klare räumliche Begrenzung (sie erstreckt sich apokalyptisch über die ganze Erde [ef' olhn thn ghn]; diese Ausdehnung ist sowohl bei einer Mond- als auch bei einer Sonnenfinsternis wie auch bei [Asche-, Sand- oder Gewitter-] Wolkendecken ausgeschlossen!) und ein zeitlicher Gleichlauf von Kreuzigung und Finsternis besteht nicht (Erstere beginnt um die dritte Stunde [bzw. um 9 Uhr; Mk 15,25] und Letztere um die sechste Stunde [bzw. um 12 Uhr; Mk 15,33]; Erstere endet gegen Abend [oder anders gesagt gegen die zwölfte Stunde oder 18 Uhr; Mk 15,42] und Letztere um die neunte Stunde [bzw. um 15 Uhr, Mk 15,33]). Folglich geht die Deutung der Finsternis als Trauer des Himmels, des Kosmos oder der Schöpfung über die Kreuzigung Jesu fehl;<29> Mk 15,33 will keine kosmische Kondolenz bekunden! Vielmehr symbolisiert dieses (textuell sekundäre, wohl schon vormarkinisch eingefügte und apokalyptisch motivierte)<30> Phänomen Gottes Zorn angesichts der menschlichen Fähigkeit zu einer solchen Tat und in maiore minus beim Anblick weltweit vorkommender Glaubenswidersetzung; in Verbindung mit Mk 13,24 und in Assoziation zu Textstellen alttestamentlicher Endgerichtsprophetie wie Joël 2,2.10 und 3,4 und 4,15, Zef 1,15, Jes 13,10 und 24,23 und vor allem Am 8,9 (vergleiche auch 5,18.20) stellt die Finsternis in Mk 15,33 die vorübergehende, kosmisch ausgedrückte und die Endzeitreaktion des Weltenrichters andeutende göttliche Antwort auf die menschlichen Versuche, den göttlichen Heilsplan mit allen Mitteln ­ selbst der Tötung Gottes ­ zu vereiteln, dar.<31>


Sonnenfinsternisse der Jahre 26-36

Datum Typ global Typ lokal
(Jerusalem)
max. Bedeckung in Jerusalem Zeit
von

bis

06.02.0026 ringförmig partiell 90% 10:55 14:08
22.07.0027 total partiell 17% 04:12
vor Sonnenaufgang
05:08
24.11.0029 total partiell 82% 13:04 15:43
10.05.0031 ringförmig partiell 34% 04:33
vor Sonnenaufgang
06:08
12.09.0033 ringförmig partiell 77% 13:44 16:28

Tabelle 2: Von Jerusalem aus beobachtbare Sonnenfinsternisse zwischen den Jahren 26 und 36. Fett markiert sind die Ereignisse rum um den Frühlingsbeginn.


4. Gottes Zorn ­ die unbeliebte Seite Gottes

Jesus von Nazara findet nach dem Mk-Ev seinen Tod auf Golgota um die Zeit eines Frühlingsvollmondes zwischen 29 und 34 unserer Zeitrechnung (siehe 1). Die Annahme einer mit der Hinrichtung Jesu gleichlaufenden astronomischen Sonnen- oder Mondfinsternis oder dazu auswirkungsmässig analogen geonomischen Erscheinung ist nach den naturwissenschaftlichen Ausführungen utopisch (siehe 2 und 3, [1]­[3]). Denkbar ist hingegen die Kombination der Kreuzigung mit einer zeitungleich stattfindenden Sonnen- oder Mondfinsternis (siehe 3, [1] und [2]), um einerseits dem Golgotadrama seine sichtbare Prägnanz zu verleihen und anderseits die welt(all)umspannende Brisanz dieses Ereignisses zu unterstreichen. Wenig plausibel ­ weil textuell und kontextuell losgelöst ­ erscheint die symbolische Deutung der Finsternis im Sinne von Glaubenstohuwabohu oder gottloser Sündenverfallenheit des Menschen (siehe 3, [4]) oder von kosmischer Kondolenz (siehe 3, [5]). Schliesslich plädiert der Autor E. T. ­ ohne die Möglichkeit der Subsumtion einer zur Kreuzigung diachronen astronomischen Finsternis unter Mk 15,33 auszuschliessen ­ wegen der grammatisch-systematischen Beziehung von Mk 15,33 im griechischen Text zu Mk 13,24 und der historischen Assoziation zu ähnlich lautenden Textstellen alttestamentlicher Endgerichtsprophetie (vor allem Am 8,9) für eine teleologisch-symbolische Deutung des Phänomens im Sinne von episodischem eschatologischem Zorn Gottes (siehe 3, [3] und [5]). Diese Lesart ist im Übrigen in einer intertextuellen Interpretation kompatibel mit der Auslegung des Becher-/Kelchwortes in Mk 10,38 und 14,36, wonach der Becher/Kelch als Metapher in analoger Allusion zu alttestamentlichen Texten der Gottesgerichtsprophetie wie Jes 51,17.22 (Zornbecher) oder Jer 25,15 (Zornweinbecher) oder Ez 23,33 (Grauen- und Schauderbecher) und zu frühjüdischen Märtyrertexten<32> (Leidensbecher) darauf hinweist, dass Jesus qualvoll enden und sich an ihm als Gekreuzigtem an Frevlers statt der göttliche Gerichtszorn entladen wird<33>. Gott ist zwar nach wie vor die Liebe (siehe 1 Joh 4,8), aber der Zorn ist ihm ­ gleichsam als Kehrseite der Liebe ­ ebenso eigen; eine unbeliebte Seite, aber eben auch eine Seite Gottes<34>!

 

Erwin Tanner ist Theologe und Jurist, René Hassanein Diplomphysiker.


Anmerkungen

1 Der Ortsname Nazaret findet sich bei Mk nur in 1,9. Geläufig ist in diesem Ev hingegen die Bezeichnung Jesu als Nazarener. ­ Nazara ist der in der Quelle Q antik fast einmalig belegte und in Mt 4,13 und Lk 4,16 aufgenommene hellenistische Wortlaut des galiläischen Heimatortes Jesu, nas'ra. Davon lässt sich das im griechisch verfassten Mk-Ev viermal erwähnte Adjektiv Nazarenos bzw. der ins Deutsche übersetzte Begriff Nazarener plausibel ableiten (vgl. Mk 1,24; 10,47; 14,67; 16,6). (S. J. M. Robinson, 18 i.V.m. W. Bösen, Galiläa, 97, und J. Gnilka, Jesus, 75, Anm. 4.) Aus diesen Gründen wird im Text der Ortsbezeichnung Nazara gegenüber Nazaret der Vorzug gegeben.

2 Eine Auswahl an literarischen Fundstellen findet sich bei E. Tanner, 416.

3 Nach der Ersteren liegt der Tag als Zeitmass zwischen zwei aufeinander folgenden Sonnenaufgängen, nach der Letzteren zwischen zwei aufeinander folgenden Sonnenuntergängen. Gemäss der heutigen Astronomie ist der Tag der Zeitraum zwischen zwei aufeinander folgenden unteren solaren Kulminationen bzw. Zeitpunkten, in denen die Sonne bei ihrer scheinbaren täglichen Wanderbahn am Himmel ihre höchste Höhe unter dem Horizont hat (sog. untere Kulminationspunkte). ­ S. dazu H. Zimmermann/A. Weigert, 165f.206.393.497; R. Bien/H. Lichtenberg, 80.

4 Das ursprünglich vermutlich ­ allerdings innerhalb der Forschung kontrovers beurteilt ­ in einem apotropäischen Nomadenverband-Blutritus zur Weidewechselzeit (Transhumanz) wurzelnde, sich im Laufe der (deuteronomisch-deuteronomistischen und priesterschriftlichen Programm-) Zeit mit dem agrarischen Wallfahrtsfest Mazzoth (Fest der ungesäuerten Brote) verbindende und zu einem an den Exodus-Landwechsel anknüpfenden Volksverband-Erinnerungsdankesopferritus entwickelnde Fest des (etymologisch bislang nicht einhellig geklärten Wortes; s. M. Rösel, 232; vgl. M. Görg, Gott, 138ff.; M. Görg, Beziehungen, 115.149; O. Keel, Pascha, 428ff.) Pesach erstreckt sich im (kananäisch benannten) Monat Abib bzw. (babylonisch benannten) Monat Nisan (März/April) über acht Tage. ­ Vgl. die konzis-präzisen Ausführungen bei H. D. Preuss, 243ff.; E. Otto, Sp. 77ff.; P. Weimar/M. Reiser/Th. Kwasman, Sp. 1415ff.; K. Jaros, 306ff.

5 Präzession im allgemeinen Sinne als die durch die Gravitationskräfte der Sonne, des Mondes und der Planeten aufgezwungene, fortschreitende Drehung der Polachse der Erde verursacht zusammen mit der Nutation als den durch den unbeständigen gravitativen Einfluss des Mondes hervorgerufenen kurzperiodischen Schwankungen der Erdachse eine Wellenlinie des Himmelspols am Himmel und die laufende, der Ekliptik als der von der Erde aus gesehenen, scheinbaren jährlichen Bewegung der Sonne an der Himmelssphäre entgegengesetzte Verschiebung des Himmelsäquators und der Ekliptik und damit deren Schnittpunkte (Frühlings- und Herbstpunkt: Äquinoktialpunkte um den 21. März bzw. 23. September) an der Himmelskugel. Ein voller Umlauf des Frühlingspunktes längs der Ekliptik dauert ungefähr 25700 Jahre (ein Platonisches Jahr); zurzeit befindet er sich am Rande zum Sternbild Aquarius (Wassermann). ­ Genaueres bei J. Hermann, 40f.63.65; H. Zimmermann/A. Weigert, 63f.316f. (i.V.m. 104f.119f.).366.430ff.
Mondphasen sind die von der Erde aus sichtbaren Beleuchtungsformen des Mondes. Aufgrund der gebundenen Mondrotation um die Erde verändert sich seine Position relativ zur Erde und Sonne und damit der Beleuchtungsstatus seiner der Erde ständig zugewandten, infolge der Libration zu insgesamt 59% sichtbaren Hemisphäre. Es lassen sich vier Hauptphasen unterscheiden: (1) Neumond/Interlunium: Der Mond steht zu Beginn der Lunation (des vollständigen Ablaufs aller Mondphasen, dessen Dauer 29 d 12 h 44 m 2,9 s beträgt) in Konjunktion zur Sonne, sodass die der Erde zugewandte Oberfläche des Satelliten nicht beleuchtet ist; bzw. der Mond ist vor und nach der Konjunktion für zirka 1,5 d «schwarz» und am Taghimmel. (2) Halbmond: Im ersten Viertel der Lunation (d.h. zirka 7 Tage nach Neumond) wird die (zunehmende) Hälfte der Mondoberfläche beleuchtet. (3) Vollmond: Während der Opposition zur Sonne (d.h. nach etwa 14­15 Tagen nach Neumond) wird die ganze sichtbare Mond-Hemisphäre am Nachthimmel beleuchtet. (4) Halbmond: Im letzten Viertel der Lunation (d.h. ungefähr 22 Tage nach Neumond) wird die (abnehmende) Hälfte der Mondoberfläche beleuchtet. ­ Illustrativ dazu die Bilder bei J. Hermann, 50; W. Raffetseder, 29; D. B. Herrmann, 2f. und dazu gehörige Kosmos Mond-Uhr 2000.

6 Diese Aufteilung der Zeit in grössere Abschnitte mithilfe astronomisch definierter Zeiteinheiten (Tag, Monat, Jahr) berücksichtigt bei der Jahreseinteilung sowohl (bzw. primär) den Wechsel der Mondphasen als auch (bzw. sekundär) den natürlichen Ablauf der Jahreszeiten. Zum Ausgleich der unterschiedlichen Dauer des (synodischen) Mondjahres (354, 3672 d [1 (synodischer) Mondmonat = 29,5306 d]) und des (tropischen) Sonnenjahres (365,2422 d) wird in periodischer Folge aufgrund mathematisch-astronomischer und empirischer Überlegungen ein zusätzlicher 13. (bzw. Schalt-)Monat eingefügt (z.B. bei einem 19-jährigen Zyklus zu 12 Gemeinjahren mit je 12 Monaten und 7 Schaltjahren mit je 13 Monaten im Jahr 3, 6, 8, 11, 14, 17 und 19 [­ 19 (tropische) Sonnenjahre ergeben mit einer aufgerundeten Differenz von 0,09 d 235 Mondmonate]), sodass die Kalendermonate dem Mondlauf und das Kalenderjahr den Jahreszeiten angepasst sind und der Jahresbeginn mit geringen Abweichungen fix ist. ­ S. A. Strobel, Osterkalender, 430ff.; H. Zimmermann/A. Weigert, 165f.; R. Bien/H. Lichtenberg, 80f.; vgl. zur Interkalation auch A. Adam, 19f.
Nebenbei sei erwähnt, dass das Alte Testament kein einheitliches Kalendersystem kennt und dass zur Zeit Jesu bei den Juden zwei verschiedene Hauptsysteme nebeneinander Anwendung finden: der offizielle, exoterische jüdische Lunisolarkalender und der inoffizielle, esoterische qumran-essenische Solarkalender. ­ S. dazu die knappe Übersicht bei K. Jaros, Kalender, Sp. 429ff. besonders 431f. und die ausführliche Darstellung bei A. Strobel, Osterkalender, 429ff.440ff.; vgl. auch J. Finegan, 18ff., Nr. 37ff.; K. Jaros, Jesus, 52ff.

7 Zu den Bezeichnungen der jüdischen Monate s. K. Jaros, Monat, Sp. 831f.

8 S. J. Jeremias, 31; A. Strobel, Osterkalender, 430; J. P. Meier, 401.

9 S. J. W. McKay, 439 (i.f.)ff.

10 So J. W. McKay, 446 (mit Literaturhinweisen).

11 Vgl. M. Rösel, 234 i. V.m. A. Strobel, Osterkalender, 429ff.

12 Statt vieler J. Gnilka, Markus, 232; X. Léon-Dufour, 247.379f.; W. Bösen, Galiläa, 250f.; J. Gnilka, Jesus, 281; J. P. Meier, 388ff.; J. Bowker, 764f.; T. Holtz, 133f.

13 Vgl. dazu J. Gnilka, Prozess, 28ff.; J. Gnilka, Jesus, 294ff.; K. Müller, 41ff.

14 Seit 1961 archäologisch belegt durch das fragmentarisch erhaltene so genannte Pilatus-Steinepigraph von Caesarea am Meer. ­ S. die Tafel bei J. Gnilka, Jesus, nach 302; s. auch die eine Kopie zeigende Tafel bei M. Hesemann, nach 178, und bei K. Jaros, Jesus, nach 118; s. ebenfalls W. Bösen, Jesus, 201; K. Jaros, Jesus, 11.

15 Vgl. dazu W. Bösen, Jesus, 201f.; J. Finegan, 362, Nr. 620; K. Jaros, Jesus, 9f.

16 Paläographische Untersuchungen in den Jahren 1998 und 1999 an der in einem Reliquiar eingefassten, in einem von allen Seiten einsehbaren Glasschrein in der Reliquienkapelle der Basilika Santa Croce di Gerusalemme in Rom ausgestellten so genannten Jesus-Tafel legen den Schluss nahe, dass der biblische Kreuzestitel dokumentarisch dieser Tafel entspricht; damit hätte der biblische Beschrieb in Mk 15,26 sein archäologisches Pendant. ­ Eingehende Recherchen dazu führte M. Hesemann, 266ff., durch, der schliesslich in der Jesus-Tafel die echte Passionsreliquie zu sehen glaubt (293).

17 Knappe Überblicke über die römisch-rechtlichen Straftatbestände mit eventueller Kreuzigungsfolge im Allgemeinen und für die Sache Jesu im Besonderen geben W. Bösen, Jesus, 229f. und M. Hesemannn, 94ff. ­ Vgl. zum Fall Jesu auch J. Gnilka, Christen, 193 bzw. J. Gnilka, Jesus, 304ff., besonders 308 und G. Theissen/A. Merz, 401f. i.V.m. K. Müller, 64, Anm. 45.

18 «Es war im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius [12/14 (s. FN 19) ­ 37 u. Z.], Pontius Pilatus war Statthalter [bzw. Präfekt; s. FN 14] von Judäa [26­36 u. Z.; s. FN 15], Herodes Tetrarch von Galiläa [4 v. u. Z. ­ 38/39 u. Z.; s. J. P. Meier, 374.436 und J. Finegan, 300, Nr. 516], sein Bruder Philippus Tetrarch von Ituräa und Trachonitis [4. v. u. Z. ­ 33/34 u. Z.; s. ebd.], Lysanias Tetrarch von Abilene [Regierungsdaten unbekannt]; Hohepriester waren Hannas [6­15 u. Z.; s. J. Finegan, 352, Nr. 602] und Kajaphas [18­36 u. Z.; s. ebd.].» ­ Dazu knapp F. Bovon, 167ff.

19 Dessen Amtsjahre werden nach der herrschenden griechisch-römischen Geschichtsschreibung (J. Finegan, 338f., Nr. 580 nennt beispielsweise mit den Belegstellen Dio Cassius, Sueton und Tacitus) von der Soloregentschaft (14ff. u. Z. [vgl. ebd. 330f., Nr. 570]) und nicht von der Koregentschaft mit Augustus (12ff. u. Z. [vgl. ebd.]) an gezählt. ­ Der Verfasser des Lukasevangeliums (s. F. Bovon, 22ff.) zählt wegen seiner vermutlich ­ wie seine Sprache und seine geographischen Kenntnisse nahe legen ­ griechischen Herkunft und seines wahrscheinlich ­ wie seine Reisen nahe legen ­ griechisch-römischen Adressatenkreises mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ebenso (so auch J. P. Meier, 384).

20 Das Mk-Ev legt rein vom textuellen Ereignisablauf her eine höchstens einjährige Zeitspanne zwischen dem Beginn und dem Ende des öffentlichen Wirkens Jesu bzw. zwischen dessen Taufe im Jordan und dessen Kreuzigung auf Golgota nahe: Nur auf zwei Frühjahre (oder gar ein und dasselbe Frühjahr?) spielt das Evangelium an, nämlich einerseits in der Erzählung vom Ährenraufen (s. 2,23ff.) und von der Speisung der Fünftausend (s. 6, 30ff. besonders 39) und andererseits im Bericht von der Teilnahme am Pesachfest in Jerusalem (s. 14,1ff.). Und lediglich von einem Gang Jesu nach Jerusalem zum Pesachfest ist die Rede (s. 11,1.11i.i.). Doch empfehlen inhaltliche Einzelheiten im Evangelium ­ wie die Fülle der Ereignisse und vielleicht auch die (mindestens einen früheren Pesachfestbesuch voraussetzende) Frage nach der Unterkunft in 14,14 («Wo ist der Raum [dem griechischen Text exakt entsprechend: mein Gastzimmer/«to kataluma mou» (Hervorhebung vom Autor E.T.)], in dem ich mit meinen Jüngern das Paschalamm essen kann?») ­ auch die Annahme eines längeren Zeitraumes (bis zu johannäischer Dimension bzw. von etwas über zwei Jahren [nach dem Joh-Ev will Jesus mindestens dreimal dem Pesachfest beiwohnen; s. 2,13; 6,4; 11,55 i.V.m. 12,1.12 und 13,1). ­ Vgl. dazu J. P. Meier, 403ff.

21 Zur Erleichterung des Verständnisses dieser komprimierten Aussage empfiehlt sich die statarische Lektüre von K. Schoch, 48ff., P. J. Schaumberger, 57ff. und v. a. U. Holzmeister, 199ff. und die kursorische Lektüre von J. Finegan, 361ff., Nr. 620, J. A. T. Robinson, 161ff. und W. Beinert, 23; vgl. auch zum Problem des Todestages H. L. Strack/P. Billerbeck, Markus, 812ff.

22 Zum Vergleich s. auch J. Meeus/H. Mucke, Solar Eclipses, IIIff.135f.370 und Lunar Eclipses, IIIff.55.123ff.

23 Dazu J. Blinzler, 190ff.; s. auch G. Lüdemann, 141ff. i.V.m. der Aussage von 8, wonach die zweifelsfrei auf den Evangelisten zurückgehenden Aussagen kursiv gedruckt sind.

24 Nach dem griechischen Text: «Kai genomenhV wraV ekthV skotoV egeneto ef' olhn thn ghn ewV wraV enathV.»

25 Die kosmische Einbettung des Ablebens bedeutender Personen in den Prozess einer zeitungleich real existenten oder zeitlos imaginären Sonnenfinsternis kommt in der antiken Geschichtsschreibung immer wieder vor. S. die Belege z.B. bei H. L. Strack/L. Billerbeck, Matthäus, 1040ff., H. Conzelmann, 439, Anm. 138 und U. Luz, 5, Anm. 21. ­ Eine Parallelität mit der Finsternis in Mk 15,33 besteht allerdings nur und gerade dann, wenn die Finsternis dem Eintritt des Todes vorangeht und ihn weder begleitet noch ihm nachgeht.

26 Näheres dazu bei U. Holzmeister, Finsternis, 408ff., besonders 410f.; s. auch die kurzen Hinweise bei J. Gnilka, Markus, 321, Anm. 70 und R. Kippenhahn/W. Knapp, 31f.

27 Dieser Argumentationsstrang lässt sich nachvollziehen durch die kombinative Lektüre der Ausführungen von W. F. Moulton/A. S. Geden, 897, G. Schneider, Sp. 610, W. Hackenberg, Sp. 610ff., U. Sommer, 203, A. Strobel, Apokalyptik, 138ff., J. Gnilka, Markus, 321 i.V.m. 179ff., besonders 200f. und Theologie, 149f., T. Söding, 89 und J. Ernst, 470f. (der die apokalyptische Note und damit die Assoziation der Finsternis in Mk 15,33 mit dem kosmischen Endzeitereignis in Mk 13,24 aus Gründen der Banalität des Beschriebs eines so gearteten Phänomens auf dem Hintergrund der antiken Geläufigkeit der Erwähnung eines solchen Geschehnisses im Zusammenhang mit dem Tode bedeutender Personen [s. aber FN 25!] stark relativiert).

28 Den Impuls zu den folgenden Ausführungen geben v.a. I. Baumgartner, 243, und A. Biesinger/G. Braun, 40ff.57ff.92ff.

29 Gegen J. Blinzler, 194; R. Schnackenburg, 307; W. Schmithals, 694f.; vgl. zu dieser Symbolik die jüdischen Quellen bei H. L. Strack/L. Billerbeck, Matthäus, 1042 (in Bezug auf Mt 27,45) und die ihr gegenüber offenen Ausführungen bei U. Luz, 5f. (ebenfalls in Bezug auf Mt 27,45).

30 Ebenso U. Sommer, 202; s. zudem J. Gnilka, Markus 310ff.; gegen W. Schmithals, 694.

31 S. dazu auch U. Sommer, 205f.

32 S. die Belegstellen bei J. Gnilka, Markus, 101f.

33 Vgl. J. Gnilka, Markus, 101f.260; R. Miggelbrink, 286f.

34 Zur theologisch verlore


© Schweizerische Kirchenzeitung - 2001