3/2000

INHALT

Leitartikel

Die ökumenische Herausforderung der Mischehen

von Albert Ebneter

 

Die dramatische Zunahme der religiös-weltanschaulichen Mischehen in der Schweiz in den letzten 40, 50 Jahren stellt die kirchlich Verantwortlichen wohl vor eines der grössten und dringendsten Probleme moderner Pastoral. Wie nie zuvor sind die Kirchen herausgefordert, in ökumenischer Aufgeschlossenheit der neuen Situation zu begegnen, soll der Glaube auch kommenden Generationen weitergegeben werden. Gefordert sind vor allem die beiden Hauptkonfessionen der Schweiz, die römisch-katholische und die evangelische, die nach der letzten Eidgenössischen Volkszählung (1990) immer noch gut 86% der Wohnbevölkerung ausmachen.
Die letzten verfügbaren Zahlen über die Heiraten 1998 nach Kanton und Konfession des Bundesamtes für Statistik, Neuchâtel, müssten beide Glaubensgemeinschaften im wahrsten Sinn aufhorchen lassen. Das Zahlenverhältnis von bekenntnisgleichen und bekenntnisverschiedenen Ehen hat einen Grad erreicht, dass die einzelne Glaubensgemeinschaft sich nicht nur vor immensen pastoralen Problemen gestellt sieht, sondern auch um einen ökumenischen Brückenschlag nicht mehr herumkommt.
Nach der Heiratsstatistik des Bundesamtes für das Jahr 1998 verzeichnete jede der beiden Hauptkonfessionen bereits mehr bekenntnisverschiedene als bekenntnisgleiche Eheschliessungen. Dieser Trend zur Mischehe wird sich bei der zunehmenden konfessionellen Durchmischung der Bevölkerung in Zukunft noch verstärken.
Der ganze Ernst des pastoralen Problems und die hohe Dringlichkeit einer ökumenischen Zusammenarbeit in der Mischehenpastoral werden der einzelnen Glaubensgemeinschaft so richtig bewusst, wenn sie von der Verhältniszahl der bekenntnisgleichen und bekenntnisverschiedenen Heiraten im eigenen Raum ausgeht.

Römisch-katholische Konfession

Die römisch-katholische Konfession verzeichnete in der Heiratsstatistik von 1998 in nicht weniger als 14 Kantonen mehr Mischehen als homogen katholische Paare. Gesamtschweizerisch betrug der Anteil der Mischehen gegenüber den katholischen Paaren 50,8% (1997: 50,4%), also über die Hälfte. Unter diesen Mischehen sind gut zwei Drittel (68,8%) römisch-katholisch/protestantische Verbindungen.
Regional gesehen sind die Unterschiede jedoch beträchtlich, wie eine Tafel über die schweizerische Diözesen zeigt. (Die Zahlen beziehen sich nicht auf die kirchlich geschlossenen Ehen, sondern auf die standesamtlich registrierten Heiraten im Bistumsgebiet.)
Während die beiden südlichen Diözesen Lugano und Sitten einen Mischehenanteil von 17,4% bzw. 25,1% aufweisen, so betrug er in den Bistümern Basel, Chur, St. Gallen und Lausanne-Freiburg-Genf zwischen 49,9% und 56,9%. In diesen vier Bistümern herwärts der Alpen ist das Mischehenproblem so brennend, dass bei jeder seriösen Pastoralplanung die Forderung nach einer ökumenischen Mischehenpastoral weit oben in der Dringlichkeitsskala rangieren müsste.

Protestantische Konfession

Mehr noch als der Katholizismus ist der Schweizer Protestantismus mit dem Mischehenproblem konfrontiert.
Abgesehen vom Kanton Bern und Schaffhausen verzeichnete die protestantische Konfession 1998 in sämtlichen Kantonen mehr Mischehen als homogen protestantische Verbindungen. Gesamtschweizerisch betrug hier der Mischehenanteil 62,8% (1997: 62%). Diese Entwicklung ist hauptsächlich die Folge der veränderten konfessionellen Mehrheitsverhältnisse. Nach der Eidgenössischen Volkszählung 1990 betrug die protestantische Bevölkerung noch 40%, die römisch-katholische 46,1%. Nach allgemeiner Erfahrung mischt sich die Minderheit mehr und mehr mit der Mehrheit, was sich nicht zuletzt in der Heiratsstatistik äussert.
Noch stärker vom Mischehenproblem betroffen sind religiöse Minoritäten.
Die christkatholische Konfession verzeichnete bei den Heiraten 1998 41 bekenntnisgleiche und 181 bekenntnisverschiedene Ehen (81,5%). Darunter fanden sich 55 christkatholisch/römisch-katholische und 91 christkatholisch/protestantische Mischehen.
Die israelitische Religion registrierte 1998 in der Heiratsstatistik 23 homogen israelitische Ehen und 68 Mischehen (79,7%). Darunter fanden sich 19 israelitische/römisch-katholische und 18 israelitisch/protestantische Mischehen.
In Zukunft müssten die orthodoxen Christen und vor allem die Muslime beachtet werden. In der Volkszählung 1990 wurden bereits 71501 Gläubige von Ostkirchen und 152217 Bekenner des Islam registriert. Während es nach islamischer Norm der muslimischen Frau nicht erlaubt ist, eine Ehe mit einem Nichtmuslim einzugehen, ist es dem muslimischen Mann gestattet, eine Christin oder Jüdin zu heiraten. Lediglich die Ehe mit einer Glaubenslosen ist ihm nicht gestattet. Die Kinder müssen im Islam erzogen werden.

Die ökumenische Herausforderung

Hinter diesen nackten Zahlen der Statistik verbergen sich nicht wenige ungelöste Probleme mit schwerwiegenden Folgen. Kirchen und Gesellschaft stehen vor der schicksalhaften Frage: Wo finden diese Mischehenpaare ein gemeinsames religiöses Zuhause? Wo werden die Kinder dieser meist jungen Ehen religiöse Heimat finden? Wie wird eine religiöse Erziehung in Familie und Schule geschehen können? Von der Lösung dieser Fragen wird es weithin abhängen, wie die religiöse Landschaft von morgen und übermorgen aussehen wird.<1> Noch stehen wir heute ziemlich am Anfang all dieser brennenden Aufgaben. Eine entschlossene ökumenische Zusammenarbeit ist schlechterdings das Gebot der Stunde.

Bistum Konfessionsgleiche Ehen  Konfessionsverschiedene Ehen
Römisch-katholisch Röm.-kath./protestantisch Röm.-kath./andere; ohne; unbekannt Total Mischehen %
Basel
Chur
St.Gallen
Lausanne-Genf-Freiburg
Sitten/Abtei
Saint-Maurice
Lugano
 3263
2311
808
2493
1117

1064
 3020
2081
714
1710
230

97
1285
991
231
776
145

127
4305
3072
945
2486
375

224
56,9
57,1
53,9
49,9
25,1

17,4

 

Albert Ebneter

 

Der Jesuit Dr. theol. et lic. phil. Albert Ebneter ist der bewährte Ökumene-Referent des Instituts für Weltanschauliche Fragen, das die katholischen Blätter für weltanschauliche Informationen, die Zeitschrift &laqno;Orientierung» herausgibt, sowie langjähriges Mitglied der Interkonfessionellen Arbeitsgemeinschaft für Mischehen-Seelsorge der deutschsprachigen Schweiz.


Anmerkung

1 An seiner ersten Sitzung des neuen Seelsorgerates des Bitums Basel zeigte sich Bischof Kurt Koch &laqno;überzeugt, dass die Weitergabe des Glaubens zur Schicksalsfrage geworden ist» (Kipa 10.3.1999). Auch für den neuen Bischof von Chur Amédée Grab ist &laqno;die Weitergabe des Glaubens die allererste der Herausforderungen im Bistum» (Neue Luzerner Zeitung vom 21.8.1998)


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