3/2000 | |
INHALT |
Leitartikel |
Die dramatische Zunahme der religiös-weltanschaulichen Mischehen
in der Schweiz in den letzten 40, 50 Jahren stellt die kirchlich Verantwortlichen
wohl vor eines der grössten und dringendsten Probleme moderner Pastoral.
Wie nie zuvor sind die Kirchen herausgefordert, in ökumenischer Aufgeschlossenheit
der neuen Situation zu begegnen, soll der Glaube auch kommenden Generationen
weitergegeben werden. Gefordert sind vor allem die beiden Hauptkonfessionen
der Schweiz, die römisch-katholische und die evangelische, die nach
der letzten Eidgenössischen Volkszählung (1990) immer noch gut
86% der Wohnbevölkerung ausmachen.
Die letzten verfügbaren Zahlen über die Heiraten 1998 nach Kanton
und Konfession des Bundesamtes für Statistik, Neuchâtel, müssten
beide Glaubensgemeinschaften im wahrsten Sinn aufhorchen lassen. Das Zahlenverhältnis
von bekenntnisgleichen und bekenntnisverschiedenen Ehen hat einen Grad erreicht,
dass die einzelne Glaubensgemeinschaft sich nicht nur vor immensen pastoralen
Problemen gestellt sieht, sondern auch um einen ökumenischen Brückenschlag
nicht mehr herumkommt.
Nach der Heiratsstatistik des Bundesamtes für das Jahr 1998 verzeichnete
jede der beiden Hauptkonfessionen bereits mehr bekenntnisverschiedene als
bekenntnisgleiche Eheschliessungen. Dieser Trend zur Mischehe wird sich
bei der zunehmenden konfessionellen Durchmischung der Bevölkerung in
Zukunft noch verstärken.
Der ganze Ernst des pastoralen Problems und die hohe Dringlichkeit einer
ökumenischen Zusammenarbeit in der Mischehenpastoral werden der einzelnen
Glaubensgemeinschaft so richtig bewusst, wenn sie von der Verhältniszahl
der bekenntnisgleichen und bekenntnisverschiedenen Heiraten im eigenen Raum
ausgeht.
Die römisch-katholische Konfession verzeichnete in der Heiratsstatistik
von 1998 in nicht weniger als 14 Kantonen mehr Mischehen als homogen katholische
Paare. Gesamtschweizerisch betrug der Anteil der Mischehen gegenüber
den katholischen Paaren 50,8% (1997: 50,4%), also über die Hälfte.
Unter diesen Mischehen sind gut zwei Drittel (68,8%) römisch-katholisch/protestantische
Verbindungen.
Regional gesehen sind die Unterschiede jedoch beträchtlich, wie eine
Tafel über die schweizerische Diözesen zeigt. (Die Zahlen beziehen
sich nicht auf die kirchlich geschlossenen Ehen, sondern auf die standesamtlich
registrierten Heiraten im Bistumsgebiet.)
Während die beiden südlichen Diözesen Lugano und Sitten einen
Mischehenanteil von 17,4% bzw. 25,1% aufweisen, so betrug er in den Bistümern
Basel, Chur, St. Gallen und Lausanne-Freiburg-Genf zwischen 49,9% und 56,9%.
In diesen vier Bistümern herwärts der Alpen ist das Mischehenproblem
so brennend, dass bei jeder seriösen Pastoralplanung die Forderung
nach einer ökumenischen Mischehenpastoral weit oben in der Dringlichkeitsskala
rangieren müsste.
Mehr noch als der Katholizismus ist der Schweizer Protestantismus mit
dem Mischehenproblem konfrontiert.
Abgesehen vom Kanton Bern und Schaffhausen verzeichnete die protestantische
Konfession 1998 in sämtlichen Kantonen mehr Mischehen als homogen protestantische
Verbindungen. Gesamtschweizerisch betrug hier der Mischehenanteil 62,8%
(1997: 62%). Diese Entwicklung ist hauptsächlich die Folge der veränderten
konfessionellen Mehrheitsverhältnisse. Nach der Eidgenössischen
Volkszählung 1990 betrug die protestantische Bevölkerung noch
40%, die römisch-katholische 46,1%. Nach allgemeiner Erfahrung mischt
sich die Minderheit mehr und mehr mit der Mehrheit, was sich nicht zuletzt
in der Heiratsstatistik äussert.
Noch stärker vom Mischehenproblem betroffen sind religiöse Minoritäten.
Die christkatholische Konfession verzeichnete bei den Heiraten 1998 41 bekenntnisgleiche
und 181 bekenntnisverschiedene Ehen (81,5%). Darunter fanden sich 55 christkatholisch/römisch-katholische
und 91 christkatholisch/protestantische Mischehen.
Die israelitische Religion registrierte 1998 in der Heiratsstatistik 23
homogen israelitische Ehen und 68 Mischehen (79,7%). Darunter fanden sich
19 israelitische/römisch-katholische und 18 israelitisch/protestantische
Mischehen.
In Zukunft müssten die orthodoxen Christen und vor allem die Muslime
beachtet werden. In der Volkszählung 1990 wurden bereits 71501 Gläubige
von Ostkirchen und 152217 Bekenner des Islam registriert. Während es
nach islamischer Norm der muslimischen Frau nicht erlaubt ist, eine Ehe
mit einem Nichtmuslim einzugehen, ist es dem muslimischen Mann gestattet,
eine Christin oder Jüdin zu heiraten. Lediglich die Ehe mit einer Glaubenslosen
ist ihm nicht gestattet. Die Kinder müssen im Islam erzogen werden.
Hinter diesen nackten Zahlen der Statistik verbergen sich nicht wenige ungelöste Probleme mit schwerwiegenden Folgen. Kirchen und Gesellschaft stehen vor der schicksalhaften Frage: Wo finden diese Mischehenpaare ein gemeinsames religiöses Zuhause? Wo werden die Kinder dieser meist jungen Ehen religiöse Heimat finden? Wie wird eine religiöse Erziehung in Familie und Schule geschehen können? Von der Lösung dieser Fragen wird es weithin abhängen, wie die religiöse Landschaft von morgen und übermorgen aussehen wird.<1> Noch stehen wir heute ziemlich am Anfang all dieser brennenden Aufgaben. Eine entschlossene ökumenische Zusammenarbeit ist schlechterdings das Gebot der Stunde.
Bistum | Konfessionsgleiche Ehen | Konfessionsverschiedene Ehen | |||
Römisch-katholisch | Röm.-kath./protestantisch | Röm.-kath./andere; ohne; unbekannt | Total Mischehen | % | |
Basel Chur St.Gallen Lausanne-Genf-Freiburg Sitten/Abtei Saint-Maurice Lugano |
3263 2311 808 2493 1117 1064 |
3020 2081 714 1710 230 97 |
1285 991 231 776 145 127 |
4305 3072 945 2486 375 224 |
56,9 57,1 53,9 49,9 25,1 17,4 |
Der Jesuit Dr. theol. et lic. phil. Albert Ebneter ist der bewährte Ökumene-Referent des Instituts für Weltanschauliche Fragen, das die katholischen Blätter für weltanschauliche Informationen, die Zeitschrift &laqno;Orientierung» herausgibt, sowie langjähriges Mitglied der Interkonfessionellen Arbeitsgemeinschaft für Mischehen-Seelsorge der deutschsprachigen Schweiz.
1 An seiner ersten Sitzung des neuen Seelsorgerates des Bitums Basel zeigte sich Bischof Kurt Koch &laqno;überzeugt, dass die Weitergabe des Glaubens zur Schicksalsfrage geworden ist» (Kipa 10.3.1999). Auch für den neuen Bischof von Chur Amédée Grab ist &laqno;die Weitergabe des Glaubens die allererste der Herausforderungen im Bistum» (Neue Luzerner Zeitung vom 21.8.1998)