28-29/1999

INHALT

Kirchliche Berufe

Der Ständige Diakonat - ein Anliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils

von Helmut Hoping

 

Im Lukasevangelium gibt es einen Text (Lk 22,24­30), in dem Jesus von sich sagt: «Ich bin unter euch wie ein Diakon (di´akonoV).»

Christus, der Diakon ­ Die Kirche als Diakonin

Bei allen anderen Titeln (Messias, Sohn Gottes, Menschensohn usw.) zeigt Jesus deutliche Zurückhaltung; ob er sie überhaupt auf sich bezogen hat, ist umstritten. Als Diener hat sich Jesus dagegen sicher bezeichnet. In der Kirche ist Jesus der Diakon aber kaum bekannt. Man nennt ihn Christus, Sohn Gottes, Herr (ku´rioV), neuerdings auch Bruder, aber selten Diener. Dabei hat Jesus uns mit der Fusswaschung gleichsam ein «Sakrament der Diakonie» hinterlassen. Doch Jesus der Diakon ist in der Geschichte der Kirche weitgehend in Vergessenheit geraten. Und bis heute tut sich die Kirche schwer damit, Diakonin aus dem Geist der Diakonie<1> Jesu Christi zu sein.
Im Neuen Testament spürt man noch etwas von der Sendung zum Dienst. Es ist eine Sendung der ganzen christlichen Gemeinde wie ihrer Leitungsdienste. So spricht das Neue Testament vom Dienst «am Wort» (Apg 6,4), vom Dienst der «Versöhnung» (2 Kor 5,18), vom Dienst der «Leitung» (1 Thess 5,12) und dem Dienst am Nächsten (Apg 6,2). Es kennt auch die Funktionsbezeichnung «di´akonoV» für den gemeindeleitenden Dienst, und zwar für Männer wie Frauen (vgl. Phil 1,1; 1 Tim 3,8­13<2>; Röm 16,1: die Diakonin [di´akonoV] Phoebe). Im Dienst der «Sieben» (Apg 6,1­7), denen die Apostel die Hände auflegten<3> und zu denen Stephanus, der geisterfüllte Zeuge des Evangeliums, gehörte (Apg 6,5f.; 7,1­53), hat man später das Vorbild des «Diakonats» gesehen.

Geschichte des Diakonats und seine Erneuerung

In der alten Kirche hat es neben dem Amt des Bischofs und des Presbyters auch das eigenständige, durch Handauflegung und Gebet übertragene Amt des Diakons gegeben. Durch die Ausdehnung der bischöflichen Stadtgemeinde wie die Weiterentwicklung des Presbyteramtes zum örtlichen, priesterlichen Gemeindeleitungsdienst wurde eine Entwicklung eingeleitet, an deren Ende der Diakonat nur noch als Durchgangsstufe zum Priesteramt existierte. Damit verlor die Diakonie als unverzichtbare Dimension kirchlicher Leitungsverantwortung ihre sichtbare Verankerung im ordinierten Amt.
Die Erneuerung des Diakonats war eines der wichtigen Reformanliegen des 2. Vatikanischen Konzils. Das Konzil hat den Diakonat als ein «für die Kirche im höchsten Masse lebensnotwendiges Amt» (LG 29) bezeichnet.<4> In sechs Dokumenten hat es sich zum Diakonat geäussert (LG 20.28­29; CD 15; OE 17; AG 15­16; SC 35; DV 25). Diese Texte enthalten noch keine reflektierte Theologie des Diakonats. Erst die nachkonziliare Entwicklung brachte hier, vorbereitet durch die vorkonziliaren Initiativen zur Erneuerung des Diakonats, wichtige Klärungen.<5>
Als ordinierter Dienst gehört der Diakonat zum sakramentalen Ordo der Kirche.<6> Nach katholischem Verständnis haben Diakone deshalb Anteil an der kirchlichen Leitungsvollmacht (potestas regiminis bzw. sacra potestas).<7> Diese Bestimmung liegt auf der Linie der Sicht des 2. Vatikanischen Konzils und des Motu proprio «Sacrum diaconatus ordinem» (1967) Pauls VI., die beide ausdrücklich von einer Leitungsvollmacht des Diakons sprechen, auch wenn diese eingeschränkt und auf die umfassendere episkopale und presbyterale Leitungsvollmacht bezogen ist.<8>
Der Diakon empfängt die Handauflegung nicht zum «Priesteramt, sondern zur Dienstleistung» (LG 29).<9> Mit dem Priesteramt ist hier ­ anders als LG 10, wo allgemein vom kirchlichen Dienstamt die Rede ist ­ der priesterliche Dienst gemeint, der den Vorsitz bei der Eucharistiefeier einschliesst.<10> In diesem Sinne unterscheidet man hinsichtlich des Ordo zwei Stufen des Priesteramtes (Presbyterat, Episkopat) und eine Stufe des Dienstamtes.<11> Ihr Dienstamt üben die Diakone in der Diakonie der Liturgie, des Wortes und der Liebestätigkeit aus (LG 29). Zu den Aufgaben des Diakons zählt das Konzil: den Beerdigungsritus, die Krankenkommunion, die Feier der Sakramentalien, die Leitung von Wortgottesdiensten, die Verkündigung des Wortes Gottes, vor allem die Verkündigung des Evangeliums, die Katechese, die Predigt, die feierliche Taufe, die Eheassistenz, die Altarassistenz, die Leitung der Diakonie, die Leitung von Gemeinden ohne eigenen Pfarrer.
Die Diakone werden vom Konzil zusammen mit den Priestern als Mitarbeiter des Bischofs bezeichnet (LG 20, 28). Die vorrangige Aufgabe der Bischöfe ist die Verkündigung (CD 12) und Leitung (LG 24). Doch sollen sich die Bischöfe auch «mit besonderer Sorge der Armen und Schwachen annehmen» (CD 13). Die Diakonie wurde von Anfang an als eine genuine Aufgabe des bischöflichen Leitungsamtes betrachtet; so nannte die altkirchliche Tradition den Bischof «pater pauperum» (Vater der Armen). Der Diakonat war deshalb direkt dem episkopalen Amt zugeordnet.<12>Die Diakone bemühten sich vor allem um die Erfüllung der bischöflichen Aufgabe der Diakonie.<13>Sie übernahmen aber schon bald auch Aufgaben in der Liturgie<14> und Verkündigung<15>, die sich im Laufe der Zeit ausweiteten.<16>

Zur Theologie des Diakonats

Diakonat und Presbyterat, so lässt sich ausgehend vom altkirchlichen, durch das 2. Vatikanische Konzil erneuerten Amtsverständnis sagen, sind Ausformungen des in vollem Sinne und in ganzer Fülle dem Bischof zukommenden apostolischen Amtes. Wie der Presbyterat ist deshalb auch der Diakonat vom bischöflichen Leitungsamtes her zu verstehen (vgl. CD 15).
Der Diakonat lässt sich nur dann als ordiniertes Amt begründen, wenn es Aufgabe auch des Diakons ist, Christus in und gegenüber der Gemeinde zu repräsentieren, wie dies bei der öffentlichen und amtlichen Wortverkündigung, bei der Eucharistiefeier (ministrare ad altare), der Feier der Sakramente (Taufe, Ehe) und der Leitung auch tatsächlich geschieht.<17> Und es ist genau diese Repräsentation, die jene amtliche Bevollmächtigung verlangt, die nach katholischem Verständnis durch die sakramentale Ordination erfolgt. Berücksichtigt man den Dienstcharakter auch des Bischofs- bzw. Priesteramtes (zusammen mit dem Diakonat bilden sie das ministerium ecclesiasticum), ist eine Dissoziierung zwischen Bischof und Priester, die Christus als Haupt und Herrn der Kirche repräsentieren, und dem Diakon, der dagegen den Christos Diakonos repräsentiert<18>, nicht überzeugend.<19> Der Diakonat hat aber einen besonderen Bezug zum Christos Diakonos, zum Geist der Diakonie Christi und zur Kirche als Diakonin. In diesem Sinne sagt Ignatius von Antiochien, dass die Diakone «mit der Diakonie Jesu Christi betraut»<20> werden. In der Patristik hat man das dreifache ordinierte Amt vielfach trinitätstheologisch gedeutet.<21> Diese Deutungen sind heute nicht mehr unmittelbar zugänglich. Vom Diakonat kann man aber sagen, dass er in signifikanter Weise dem Geist der Diakonie zugeordnet ist, der kein anderer ist als der Geist des Christos Diakonos.
Diakonale Tätigkeiten im sozial-caritativen wie pastoralen Bereich setzen eine Ordination nicht notwendig voraus. Dennoch kann eine Ordination angemessen sein. Im Missionsdekret «Ad gentes» heisst es dazu: «Es ist angebracht, dass Männer, die tatsächlich einen diakonalen Dienst ausüben, sei es als Katechisten in der Verkündigung des Gotteswortes, sei es in der Leitung abgelegener christlicher Gemeinden im Namen des Pfarrers und des Bischofs, sei es in der Ausübung sozialer und caritativer Werke, durch die von den Aposteln her überlieferte Handauflegung gestärkt und dem Altare enger verbunden werden, damit sie ihren Dienst mit Hilfe der sakramentalen Diakonatsgnade wirksamer erfüllen können» (AG 16).
Das Besondere des Diakonats besteht darin, die Einheit der Diakonie mit Gottesdienst und Verkündigung zu verdeutlichen. Liturgische und kerygmatische Funktionen kommen dem Diakon aber nicht allein deshalb zu, weil alle Funktionen der Gemeinde ­ und damit auch die diakonalen Funktionen ­ in Liturgie und Verkündigung der Kirche zur Darstellung kommen müssen.<22> Liturgie und Verkündigung dürfen nicht auf Darstellungsweisen diakonaler Tätigkeiten reduziert werden. Sie lassen sich deshalb nicht der Diakonie nachfolgend als Aufgaben des Diakons begründen. Der Christos Diakonos, den der Diakon in besonderer Weise repräsentieren soll, ist ja auch kein anderer als der auferstandene und erhöhte Herr, der in der Gemeinde und ihr gegenüber präsent wird, und zwar an erster Stelle in der Feier der Eucharistie. Da die Diakonie Christi uns in Liturgie und Verkündigung zugesprochen wird, muss christliche Diakonie von hierher verstanden und vollzogen werden. Die Kirche braucht deshalb durch Handauflegung und Gebet bevollmächtigte Zeugen, die in amtlicher Vollmacht die Diakonie Christi in Verkündigung, Liturgie und diakonaler Seelsorge zusprechen.<23> Beim Diakonat geht es um die «personale Repräsentation der Diakonie im kirchlichen Amt».<24>
Da das kirchliche Amt der Auferbauung und Zurüstung der Gemeinden für ihre Sendung dient, gehört die Diakonie zur Leitungsverantwortung des kirchlichen Amtes. Der Tübinger Pastoraltheologe Ottmar Fuchs spricht in diesem Sinne von der Leitungs-Diakonie des Amtes<25>. Hier liegt der theologische Ort des Diakonats. Zwar schliesst die Leitungsverantwortung schon des Priesters die Diakonie mit ein (PO 6), doch sind es die Diakone, die ­ bevollmächtigt durch den Bischof ­ für den Geist der Diakonie in der Gemeinde, für die diakonale Seelsorge und die diakonische Sendung der Gemeinde in besonderer Weise verantwortlich sind.
Da die diakonale Seelsorge mehr umfasst als die Sozialdiakonie, ist die Unterscheidung zwischen Gemeinde- und Sozialdiakon dem Diakonat unangemessen.<26> Es gibt nur einen einzigen, ungeteilten Diakonat. Dies betont auch die Einführung zur Diakonenweihe im Pontifikale. Sie empfiehlt deshalb die gemeinsame Diakonenweihe von unverheirateten und verheirateten Kandidaten für den Diakonat.<27>

Diakonat der Frau

Während im Westen Frauen aus dem ordinierten Diakonenamt schon bald verdrängt wurden ­ hier entwickelte sich das nichtordinierte Amt der Diakonissen ­ hat es im Osten noch lange ordinierte Diakoninnen gegeben, auch wenn ihr Amt dem der ordinierten Diakone nicht gleichgestellt war.<28> Die Aufgabe der ordinierten Diakoninnen umfasste die Spendung der Krankenkommunion, die Assistenz bei der Taufe (Salbung der weiblichen Täuflinge), die Katechese von Frauen und Kindern, nicht dagegen die Altarassistenz bei der Eucharistiefeier (ministrare ad altare), die öffentliche und amtliche Wortverkündigung (Evangelium, Predigt) und die Feier der Taufe.
Bei der Frage des ständigen Diakonats der Frau muss geklärt werden, welchen Diakonat man anstrebt. Das ist bei Bischöfen, zum Teil auch bei Theologen, nicht immer klar. Berücksichtigt man die veränderte Stellung der Frau in der modernen Gesellschaft, kommt aus anthropologisch-theologischen Gründen für mich kein Diakonat der Frau unterhalb des ständigen Diakonats der Männer in Frage. Es gibt auch kein universalkirchlich verbindliches Lehrdokument, das eine Ordination von Frauen zu ständigen Diakoninnen ausschliesst. Da nach LG 29 Diakone die Handauflegung «nicht zum Priestertum, sondern zur Dienstleistung» (non ad sacerdotium, sed ad ministerium) empfangen, ist die Frage des Diakonats der Frau durch das päpstliche Schreiben «Ordinatio sacerdotalis», welches die Priesterweihe von Frauen für die römisch-katholische Kirche ausschliesst, nicht negativ präjudiziert. Berücksichtigt man die am Amtsverständnis der Patristik orientierte Ordotheologie des 2. Vatikanischen Konzils, so handelt es sich beim Presbyterat und Diakonat um zwei eigenständige und eigenprofilierte Ausprägungen des apostolischen Amtes, dessen Vollgestalt der Episkopat ist.

Die Bedeutung des Diakonats für die Gemeinden und ihre diakonische Sendung

Die Bedeutung des Diakonats für die Gemeinden und ihre Sendung ergibt sich aus der Berufung der Gemeinden, diakonische Gemeinden zu werden, das heisst die Diakonie Christi, die uns in Gottesdienst und Verkündigung zugesagt wird, nach innen wie nach aussen zu praktizieren. Dabei umfasst die Aufgabe des Diakonats mehr als die Organisation der gemeindlichen Diakonie und die Kooperation mit der institutionalisierten Diakonie. Da es Kirche nicht ohne das konkrete Glaubenszeugnis gibt, nicht ohne Verkündigung und gottesdienstliche Feiern, nicht ohne Taufe und Eucharistie und die personale Zuwendung zu den Armen, Notleidenden und Kranken, hat der Diakon (die Diakonin) die Aufgabe, die in Verkündigung und Liturgie zugesagte Diakonie Christi den Menschen in konkreter, personaler Zuwendung zuzusprechen. Dabei geht es um die Einheit von sakramentaler, kerygmatischer und diakonischer Christusbegegnung. Diese erfordert bevollmächtigte Zeugen und Zeuginnen, die im Namen Christi und der Kirche handeln können, und zwar im Sinne einer diakonalen Seelsorge (sakramental, kerygmatisch, diakonisch).
Die Bedeutung des Diakonats für die Gemeinden besteht neben der Wahrnehmung der in der kirchlichen Leitungsverantwortung liegenden Diakonie auch in der kollegialen Ausübung kirchlicher Leitung. Zwar sollten nicht alle Aufgaben der Gemeindeleitung im ordinierten Amt konzentriert werden (im Sinne einer kooperativen Pastoral und Gemeindeleitung sind vielmehr nichtordinierte Gemeindedienste und synodale Gremien an gewissen Aufgaben der Gemeindeleitung zu beteiligen). Aber schon die Struktur amtlich-sakramentaler Gemeindeleitung sollte kooperativ sein und der Vielfalt der kirchlichen Leitungsaufgaben entsprechen. Die dreifache Gestalt des apostolischen Amtes (Episkopat, Presbyterat, Diakonat) erweist sich hierfür als besonders geeignet, da der Diakonat ein flexibles Amt ist, das verschiedene Akzentsetzungen zulässt und mehrere Formen kollegialer Leitung ermöglicht. Der Diakonat ist auch ökumenisch von grösster Wichtigkeit, da in vielen Kirchen eine Rückbesinnung auf das dreifache ordinierte Amt erfolgt.
Da die Kirche Sakrament des Heils für die Welt ist (LG 1), hat die Repräsentation der Diakonie Christi nicht nur in und gegenüber der Gemeinde, sondern auch in und gegenüber der Welt zu erfolgen. Sie muss deshalb über die Gemeinde hinausgehen, zum Beispiel in den säkularen Bereich der Berufs- und Arbeitswelt hinein. So heisst es in der «Rahmenordnung für Ständige Diakone» meiner Heimatdiözese Rottenburg-Stuttgart: «Der Diakon... vollzieht seinen Dienst zugleich in der Mitte der Gemeinde und dort, wo Gemeinde noch nicht oder nicht mehr ist. Er trägt besonders dafür Sorge, dass der Geist der Diakonia Christi geweckt, wachgehalten und im Leben der Gemeinde praktiziert wird, damit sie sich als geschwisterliche Gemeinde aufbaut.»
Es gehört zu den Aufgaben des kirchlichen Leitungsamtes dafür Sorge zu tragen, dass die Notleidenden und Bedürftigen in der Gemeinde, an den Rändern der Gemeinde und ausserhalb der Gemeinde als pastorale Herausforderung wahrgenommen werden und ihnen die nötige Hilfe gewährt wird, eine Hilfe, die der Diakonie Christi, in der Gottes befreiende und heilende Solidarität mit den Menschen Wirklichkeit geworden ist, entspricht. Es war Yves Congar, der schon früh (1953) erkannte, dass «der Verknüpfung von Diakonie und Diakonat äusserste Signifikanz zukommt»<29>. Die Kirche braucht deshalb bevollmächtigte Zeugen, Männer und Frauen, die Menschen in amtlicher Vollmacht die Diakonie Christi zusprechen können.

Plädoyer für einen Diakonat mit unterschiedlichen Gesichtern

Die Schweizer Bischöfe haben nach dem Konzil den ständigen Diakonat eingeführt. Ein überzeugendes Konzept zu seiner Förderung fehlt dagegen bis heute. Die neuen «Grundnormen für die Ausbildung der ständigen Diakone» verlangen aber von jenen Bischöfen, die den ständigen Diakonat in ihren Ortskirchen eingeführt haben, ein klares Konzept und geeignete Strukturen wie Mitarbeiter zur Förderung des Diakonats.<30> Die Schweizer Bischöfe stehen deshalb in der Pflicht, sich Gedanken über die Zukunft des ständigen Diakonats zu machen. Dabei muss auch der Diakonat der Frau mitbedacht werden. Zwar ist der ständige Diakonat der Frau derzeit noch nicht möglich. Das neue «Direktorium für den Dienst und das Leben der ständigen Diakone» schliesst ihn aber, entgegen ersten Befürchtungen, nicht aus.
Das Direktorium sieht Diakone nicht nur im Hauptberuf, sondern ebenso mit Zivilberuf vor.<31>
Da die diakonische Sendung der Gemeinden auf den binnenkirchlichen Bereich nicht beschränkt ist, braucht die Kirche auch Diakone und Diakoninnen mit Zivilberuf. Der Diakonat sollte deshalb im Sinne eines Diakonats mit unterschiedlichen Gesichtern (entsprechend der Vielfalt des Hl. Geistes) von Frauen und Männern im Hauptberuf wie mit Zivilberuf, aber auch in Verbindung mit einem kirchlichen Beruf (z.B. im Bereich der Sozialarbeit) ausgeübt werden können. Dabei ist eine adäquate theologische Ausbildung zu gewährleisten (die für Diakone und Diakoninnen, die ihren Diakonat nicht hauptberuflich ausüben, im Fern- oder Abendstudium erfolgen könnte). Kandidaten/Kandidatinnen für den ständigen Diakonat könnten neben Theologen/Theologinnen auch Katecheten/Katechetinnen und Sozialarbeiter/Sozialarbeiterinnen sein, aber ebenso Frauen und Männer in nichtkirchlichen Berufen.

In Deutschland gefördert

In Deutschland ist der ständige Diakonat von Anfang an zielstrebig gefördert worden (allein im Erzbistum Köln gibt es heute über 300 ständige Diakone, im Bistum Rottenburg-Stuttgart sind es über 200, insgesamt sind es in Deutschland weit über 2000).<32> Auch die Diskussion um den ständigen Diakonat der Frau ist in Deutschland weit fortgeschritten. So entsteht derzeit ­ in der Folge der von Peter Hünermann initiierten Stuttgarter Tagung zum Diakonat der Frau (1997)<33> ­ ein «Netzwerk ständiger Diakonat der Frau». Dabei handelt es sich um den Zusammenschluss von «Diakonatskreisen», in denen Frauen sich schon jetzt auf die Ordination zu Diakoninnen vorbereiten. Dies zeigt, dass die gezielte Förderung des ständigen Diakonats keineswegs gegen die Frauen gerichtet sein muss.
Der Öffnung des ständigen Diakonats für die Frauen hätte nicht nur Bedeutung für den sozialdiakonischen und pädagogischen Bereich, in dem heute schon mehrheitlich Frauen arbeiten. Er könnte auch Bedeutung gewinnen für den theologisch ungeklärten und seit der Laieninstruktion auch ungesicherten Dienst der Pastoralassistenten/Pastoralassistentinnen. Berücksichtigt man nämlich die Aufgaben und Funktionen, die das 2. Vatikanische Konzil (vgl. LG 29; CD 15; OE 17; AG 15f.; SC 35; DV 25) für den Diakonat aufzählt (Verkündigung, Taufe, Altarassistenz, Beerdigung, Eheassistenz, Leitung von Wortgottesdiensten, diakonale Seelsorge, Gemeindeleitungsaufgaben), so kann man im ständigen Diakonat durchaus ein für die diakonale Seelsorge zuständiges Amt der Pastoralassistenz sehen.<34>

In der Schweiz zu fördern

Der ständige Diakonat war ein besonderes Anliegen des 2. Vatikanischen Konzils. In der Schweiz steckt er immer noch in den Kinderschuhen. Es wäre zu wünschen, dass sich möglichst viele Frauen und Männer, Pastoralassistenten/Pastoralassistentinnen und Theologen/Theologinnen, aber auch Katecheten/Katechetinnen und Sozialarbeiter/Sozialarbeiterinnen wie Frauen und Männer, die einen ehrenamtlichen sozial-diakonischen, pastoralen oder liturgischen Dienst ausüben, sich mit dem ständigen Diakonat beschäftigen. Berücksichtigt man die veränderte Stellung der Frau in der Kirche, bedarf es nicht nur der Förderung des ständigen Diakonats, sondern ebenso einer fortschreibenden Aktualisierung.

 

Helmut Hoping ist Diakon und ordentlicher Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Universitären Hochschule Luzern.


Anmerkungen

1 Hier und im Folgenden meint «Diakonie» nicht nur Sozialdiakonie, sondern die ganzheitliche Diakonia am Menschen.

2 Die 1 Tim 3,11 erwähnten Frauen sind vermutlich nicht die Frauen der Diakone, sondern Diakoninnen.

3 Schon in apostolischer Zeit wurden Leitungsdienste durch Gebet und Handauflegung übertragen. Vgl. Apg 13,1­3; 1 Tim 4,14; vgl. 1,18.

4 Die Entscheidung für die Erneuerung des Diakonats erfolgte mit grosser Mehrheit. Vgl. die Zusammenstellung der verschiedenen Abstimmungsergebnisse bei M. Morche, Zur Erneuerung des ständigen Diakonats, Freiburg i.Br. 1996, 63f.

5 Vgl. J. Hornef, Kommt der Diakon der frühen Kirche wieder, Freiburg i.Br. 1955; K. Rahner ­ H. Vorgimler (Hrsg.), Diaconia in Christo (QD 15/16), Freiburg i.Br. 1962; P. Hünermann, Diakonat ­ Ein Beitrag zur Erneuerung des kirchlichen Amtes?, in: Diaconia Christi 9 (1974) Heft 1, 3­52; ders., Diakonie als Wesensdimension der Kirche und das Spezifikum des Diakonats, in: Diaconia Christi 13 (1978) Heft 4, 3­22; ders., Erneuerung der Kirche und ihres Amtes durch den Diakon, in: Diaconia Christi 16 (1981) Heft 3, 2­12; ders., Diakonat ­ Ein Beitrag zur Erneuerung des kirchlichen Amtes?, in: Diaconia Christi 29 (1994) Heft 3/4, 13­22; L. Bertelli, Il diaconato permanente nel Concilio Vaticano IIo, Vicenza 1974; P. Beltrando, Diaconi per la Chiesa, Milano 1977; L. Ullrich (Hrsg.), Das Amt des Diakons, Leipzig 1976; A. Winter, Das komplementäre Amt. Überlegungen zum Profil des eigenständigen Diakons, in: IKaZ 7 (1978) 269­281; J. G. Plöger ­ H. J. Weber (Hrsg.), Der Diakon. Wiederentdeckung und Erneuerung seines Dienstes, Freiburg i.Br. 1980; O. Fusi-Pecci, Itinerario al diaconato permanente, Brezzo di Bedero 1985; H. Vorgrimler, Diakon und Diakonat ­ Fragmente einer Besinnung, in: Diaconia Christi 24 (1989) Heft 3/4, 20­25; A. Altana, Die Wiederentdeckung des Diakonates und seine Entwicklung bis heute, in: ebd. 45­64; S. Zardoni, I diaconi nella chiesa, Bologna 1990; M. Cancouet ­ B. Violle, I diaconi. Vocazione e missione, Bologna 1992; K. Lehmann, «In allem wie das Auge der Kirche». 25 Jahre ständiger Diakonat in Deutschland. Eine Zwischenbilanz, in: Arbeitsgemeinschaft ständiger Diakonat in der Bundesrepublik Deutschland 10 ­ Jahrestagung 1993, 9­27; W. Fürst, Plädoyer für eine diakonische Kirche, in: ebd. 33­47; G. Greshake, Diakon V. Gegenwärtige Diskussion, in: LThK 3 (31995) 183f.; H. Hoping, Diakonie als Aufgabe des kirchlichen Leitungsamtes, Dogmatische Überlegungen zur Theologie des Diakonats, in: Arbeitsgemeinschaft ständiger Diakonat in der Bundesrepublik Deutschland 13 ­ Jahrestagung 1996, 24­41.

6 Vgl. LG 29; AG 16; CIC can. 1008­1009; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1536, 1554, 1570. ­ Vereinzelt gibt es immer noch Kirchenrechtler, die bestreiten, dass der Diakonat Teil des Ordosakraments ist. Vgl. A. Loretan, Laien im pastoralen Dienst. Ein Amt in der kirchlichen Gesetzgebung. Pastoralassistenten/Pastoralassistentinnen, Pastoralreferenten/Pastoralreferentinnen, Freiburg/Schweiz 21997, 206­208.

7 Vgl. CIC can. 129 § 1; Katechismus der kath. Kirche, Nr. 1538.

8 Vgl. AA 16; AAS 59 (1967) 701f.

9 Vgl. Hippolyt von Rom, Trad. apost. 8.

10 Vgl. den Kommentar von H. Vorgrimler zu LG, in: LThK 12 (21966) 256­259, bes. 258.

11 Vgl. Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1554; Papst Johannes Paul II., Ansprache am 30. November 1995 vor der Kleruskongregation, in: L´Osservatore Romano (dt.), 5. Januar 1996/Nr. 1, 9.

12 Einen kurzen Überblick zur Geschichte des Diakonats gibt E.-M. Faber, Diakon II. Historisch-theologisch, in: LThK 3 (31995) 179f.

13 Vgl. Hippolyt von Rom, Trad. apost. 24.34.

14 Vgl. Justin der Märtyrer, 1 apol. 65.67; Hippolyt von Rom, Trad. apost. 4.21.22.

15 Vgl. Ignatius von Antiochien, ad Phil. XI.

16 Eine Lehrtätigkeit der Diakone ist zwar im NT nicht erwähnt, wohl aber in der noch in ntl. Zeit entstandenen Didache (Did. 15.1­2). Eine Lehrtätigkeit der Diakone kann schon deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil anfänglich die Unterschiede zwischen den Leitungsdiensten noch fliessend waren. Deutlich wird dies auch an den «Sieben», die zwar für den Tischdienst ausgewählt wurden, zugleich aber mit Aufgaben der Verkündigung betraut waren (vgl. Apg 6,1­7 mit Apg 6,8­8,40). Schon bald leiteten Diakone die Feier der Taufe und verkündigten das Wort Gottes in der Feier der Eucharistie. Diakone konnten unter Umständen auch die Krankensalbung spenden (vgl. Hippolyt von Rom, Trad. apost. 24) und besassen bei Todesgefahr die Vollmacht zur Rekonziliation (vgl. Cyprian, Ep. XVIII,1).

17 Vgl. Johannes Paul II., Ansprache am 30. November 1995 vor der Kleruskongregation: «Durch das Auflegen der Hände des Bischofs und ein bestimmtes Weihegebet empfängt der Diakon eine besondere Gleichförmigkeit mit Christus, dem Haupt und Herrn der Kirche, der sich aus Liebe zum Vater zum Letzten und Diener aller gemacht hat» (vgl. Anm. 11).

18 Vgl. P. Walter, Gemeindeleitung und Eucharistiefeier. Zur theologischen Ortsbestimmung des Amtes, in: Kirche und Theologie im kulturellen Dialog, FS Peter Hünermann, hrsg. von B. Fraling, H. Hoping und J. C. Scannone, Freiburg i.Br.1994, 387; G. Greshake, Diakon V. Gegenwärtige Diskussion, 183.

19 Vgl. auch Anm. 17.

20 Vgl. Ad Magn. VI.

21 Verbreitet waren folgende Zuordnungen: Bischof (Vater), Presbyter (Ratsversammlung, apostolischer Senat des Bischofs), Diakone (Christos Diakonos, Messias des Vaters, Prophet des Bischofs), Diakoninnen bzw. Diakonissen (Hl. Geist). Vgl. J. Colson, Diakon und Bischof in den ersten Jahrhunderten der Kirche, in: K. Rahner ­ H. Vorgrimler (Hrsg.), Diaconia in Christo, 23­30.

22 Vgl. G. Greshake, Diakon V. Gegenwärtige Diskussion, 183.

23 So muss, wie es in der «Rahmenordnung für ständige Diakone in den Bistümern der Bundesrepublik Deutschland» (1994) heisst, «die Einheit des kirchlichen Amtes... im Dienst des Diakons ihren Ausdruck darin finden, dass er jeweils in allen drei Grunddiensten tätig ist: der Diakonie der Liturgie, der Verkündigung und der christlichen Bruderliebe» (1.3). Die Reihenfolge der genannten Dienste (sie entspricht der Aufzählung in LG 29) ist nicht zufällig, sondern hat theologische Bedeutung.

24 O. Fuchs, Heilen und befreien. Der Dienst am Nächsten als Ernstfall von Kirche und Pastoral, Düsseldorf 1990, 203.

25 Vgl. O. Fuchs, Heilen und befreien. Der Dienst am Nächsten als Ernstfall von Kirche und Pastoral, Düsseldorf 1990, 197­208.

26 Dies trifft auch für die Unterscheidung «pastoraler Diakon» und «sozial-caritativer Diakon» der «Richtlinien für den eigenständigen Diakonat in der deutschsprachigen Schweiz» der DOK (13.3.1981) zu. Vgl. SKZ 149/1981, 295f.

27 Vgl. Die Weihe des Bischofs, des Priesters und der Diakone (Pontifikale für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachraums I), Freiburg i.Br. 1994, 122.

28 Zum Diakonat der Frau vgl. M. B. von Stritzky, Der Dienst der Frau in der Alten Kirche, in: LJ 28 (1978) 136­154; A. G. Martimort, Les diaconesses, Rom 1982; D. Ansorge, Diakonat der Frau. Zum gegenwärtigen Forschungsstand, in: T. Berger ­ A. Gerhards (Hrsg.), Liturgie und Frauenfrage, St. Ottilien 1990, 31­65; A. A. Thiermeyer, Der Diakonat der Frau, in: ThQ 173 (1993) 226­236; Diakonat. Ein Amt für Frauen in der Kirche. Ein frauengerechtes Amt?, hrsg. von Peter Hünermann u.a., Stuttgart-Ostfildern 1997.

29 Jalons pour une Théologie du Laïcat (1953). Zitiert nach A. Altana, Die Wiederentdeckung des Diakonats und seine Entwicklung bis heute, in: Diaconia Christi 24 (1989) Heft 3/4, 49.

30 Vgl. Kongregation für das katholische Bildungswesen, Grundnormen für die Ausbildung der ständigen Diakone (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 132) Nr. 16.

31 Vgl. Kongregation für den Klerus, Direktorium für den Dienst und das Leben der ständigen Diakone (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 132) Nr. 7­21.

32 Ihre Ausbildung erfolgt in einem mehrjährigen theologischen Fern- und Abendstudium sowie einem nachfolgenden Pastoralkurs mit den Schwerpunkten Martyria, Leiturgia und Diakonia.

33 Vgl. Anm. 28.

34 Das Gemeindeleitungsamt, das den Vorsitz in der Eucharistiefeier einschliesst, setzt dagegen auch in Zukunft die Priesterweihe voraus.


© Schweizerische Kirchenzeitung - 1999