Weltkirchenrat gegen «Festungsmentalität» Europas und Australiens

Genf, 16.6.15 (kath.ch) Das Exekutivkomitee des Weltkirchenrats (ÖRK) hat seine «tiefe Sorge» über die steigende Zahl von Menschen ausgedrückt, die wegen «Gewalt, Unterdrückung oder wirtschaftlicher Entbehrung» Fluchtwege von «verzweifelter Gefahr» auf sich nehmen. Die internationale Gemeinschaft habe die «moralische und gesetzliche Verpflichtung», das Leben der Menschen zu retten, die auf See oder im Transit unterwegs seien, «unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Status», heisst es in einer am Wochenende in Genf veröffentlichten Erklärung.

Grundsätzlich wird vom ÖRK die Logik einer «Festungsmentalität» in Frage gestellt. Das betreffe insbesondere Europa, Südostasien oder Australien. Wörtlich heisst es in der Erklärung: «Eine Welt, in der Güter und Kapitalien jede Grenze überschreiten dürfen, aber Menschen das nicht gestattet ist, droht ihre Menschlichkeit zu verlieren.» Migration sei ein Phänomen, das «für alle Zeiten und alle Gesellschaften» gültig ist.

Respekt vor Flüchtlingen und Migranten

Das ÖRK-Exekutivkomitee fordert alle Staaten auf, «grosszügige, sichere, humane und zugängliche» Vorgangsweisen für die legale Migration zu eröffnen und Massnahmen «für den Schutz verletzlicher Migranten» zu setzen. Es gehe um den Respekt vor Flüchtlingen und Migranten im Hinblick auf deren «gottgegebene menschliche Würde». Bei dem Flüchtlingsproblem handle es sich um ein ausuferndes «globales Problem». Zuletzt habe dies der Tod unzähliger Migranten im Mittelmeer und im Indischen Ozean ins Bewusstsein gerufen.

Wörtlich heisst es in der Erklärung weiter: «Die jüngste Ermordung von äthiopischen Migranten durch IS-Terroristen in Libyen und die fremdenfeindliche Gewalt gegen Zuwanderer in Südafrika haben die besondere Verletzlichkeit von Menschen unter Beweis gestellt, die auf der menschlichen Suche nach Sicherheit und einem besseren Leben für sich selbst und ihre Familien ihre Heimatländer verlassen haben.»

Nicht Verpflichtungen auslagern

Alle ÖRK-Mitgliedskirchen und «Menschen guten Willens» sollten die «Fremden» offener und bereitwilliger aufnehmen, heisst es. Zugleich werden die Regierungen aufgefordert, alles zur Konfliktlösung, zum Ende der Unterdrückung und zur Überwindung der Armut zu tun, damit sich die Menschen nicht mehr zur Emigration gedrängt sähen. Der Weltkirchenrat respektiere die Rechte souveräner Staaten zur Kontrolle ihrer Grenzen und zur Reglementierung von Einreise und Aufenthalt und sei sich auch der Herausforderung durch das Ausmass der illegalen Immigration bewusst. Aber man müsse von allen Staaten erwarten können, dass sie «Wortlaut und Geist» der internationalen Verpflichtungen akzeptierten. Staaten dürften sich ihrer Verpflichtung zur Lebensrettung und Schutzgewährung nicht verweigern oder danach trachten, diese Verpflichtung in andere Länder «auszulagern».

Die Entscheidung über die Verteilung der Flüchtlinge dürfe nicht auf dem Rücken der Betroffenen erfolgen, wird in der Erklärung betont. Es könne nicht so sein, dass die Verantwortung für die zunehmende Zahl von «irregulären Migranten und Flüchtlingen» an Italien und Griechenland hängen bleibe. Eine «faire Verteilung» innerhalb der EU sei «moralisch wünschenswert» und «praktisch notwendig».

Militärisches Eingreifen destabilisiert

Zweifellos müssten die kriminellen Aktivitäten von «Schleppern» gestoppt werden, heisst es in der Erklärung des Exekutivkomitees des Weltkirchenrats. Allerdings müsse man bedenken, dass der Gebrauch militärischer Gewalt den Weg «irregulärer» Migranten und Flüchtlinge noch gefährlicher machen könne. Militärische Aktivitäten in libyschen Gewässern und auf libyschem Territorium könnten darüber hinaus zur weiteren Destabilisierung einer bereits aus dem Gleichgewicht geratenen Region beitragen.

Am Freitag, 19. Juni, lädt der Weltkirchenrat zwischen 13.30 und 15.30 Uhr zu einem «Web-Seminar» (webinar) über «Ökumenische Perspektiven auf die globale Migrations-Krise» ein. (kap)

16. Juni 2015 | 19:14
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!