Nationalrat Andy Tschümperlin
Schweiz

SP-Fraktionschef lobt Caritas als politische Kraft gegen Stimmungsmache!

Bern, 30.1.15 (kath.ch) Gesellschaftliche Kräfte wie Caritas Schweiz müssen immer wieder gegen politische Kräfte angehen, welche die politische Stimmung anheizen und vor allem auch mit Vorurteilen sehr bewusst agieren. Das sagt der SP-Fraktionschef im Nationalrat, der Schwyzer Katholik Andy Tschümperlin, im Interview mit kath.ch. Er sprang am Caritas Forum 2015 in Bern kurzfristig zum Thema «Zuwanderung» (30. Januar) für den ehemaligen SP-Präsidenten Peter Bodenmann ein, der aus Krankheitsgründen als Referent ausfiel.

Georges Scherrer

Was bedeutet es für Sie als SP-Vertreter an der Tagung der katholischen Caritas aufzutreten.

Andy Tschümperlin: Ich bin Katholik und trete seit dreissig Jahren auch als Samichlaus auf. Ich sage immer: Der Samichlaus ist der grösste Sozialist, den es je gegeben hat.

Warum?

Tschümperlin: Weil er nicht nur genommen, sondern auch gegeben hat.

Was gibt es neues in der Schweizer Migrationsdebatte?

Andy Tschümperlin: Zurzeit wird im Asylwesen erkannt, dass aus Syrien tatsächlich Flüchtlinge fliehen. Die Debatte hat sich in der Schweiz vom Schlagwort Wirtschaftsflüchtlinge entfernt. Man hat in der Schweiz erkannt, dass Menschen vor dem Krieg fliehen. Das ist eine neue Dimension.

Was ist Ihre persönliche Erfahrung mit der Zuwanderung?

Andy Tschümperlin: Ich habe nur gute Erfahrungen gemacht. Ich bin offen auf die Menschen zugegangen und die Menschen sind mir offen begegnet. Ich bin Lehrer und eines meiner Grundprinzipen lautet: Ich muss als Lehrer ohne Hemmung auf die Menschen zugehen.

Sie denken als Sozialist positiv, wenn es um die Zuwanderung geht. Keine negativen Erfahrungen?

Tschümperlin: Selbstverständlich gibt es negative Punkte. Es geht um jene Kreise, die in der Schweiz die politische Stimmung anheizen und vor allem auch mit sehr vielen Vorurteilen sehr bewusst agieren. Diese Politik muss man immer wieder aufdecken. Man muss gegen diese Fronten ankämpfen.

Durch die Zuwanderung verändert sich das Bild der Gesellschaft in der Schweiz. Es kommen viele neue Gesichter. Viele Einheimische haben Angst vor Veränderungen. Was kann ein Hilfswerk wie Caritas tun, um diese Angst zu besänftigen?

Tschümperlin: Indem die Frage der Angst immer wieder thematisiert wird. Caritas tut dies unter anderem mit den jährlichen sozialpolitischen Foren. Man muss dran bleiben. Die meisten Menschen erleben heute Migration auch eins zu eins. Wenn man ins Spital muss, dann trifft man dort als Patient auf Pflegepersonal und Ärzte mit Migrationshintergrund. Man kann dem heute in der Schweiz nicht mehr ausweichen.

Dennoch sind viele Schweizer zurückhaltend gegenüber Migranten. Warum?

Tschümperlin: Man darf sich die Frage stellen: Wie gross soll das Wachstum in der Schweiz sein? Wachstum hat aber nicht nur eine migrationspolitische Komponente, sondern auch eine raumpolitische. Es geht um die Entwicklung des Landes und um wirtschaftliche Fragen.

Wann ist das Boot voll?

Tschümperlin: Dieses Bild ist historisch besetzt. Ich würde es darum nicht verwenden. Ich würde nicht von Zahlen sprechen, sondern von Entwicklungen: Welche Entwicklungen wollen wir? Wie gestalten wir eine nachhaltige Entwicklung für unser Land, wo sich die Menschen weiterhin wohl fühlen und die Wirtschaft sich entwickeln kann?

Welche Handlungs-Möglichkeiten sehen Sie als Schweizer Spitzenpolitiker für die kirchlichen Hilfswerke, um in die Politik einzuwirken?

Tschümperlin: Ich lese die Publikationen von Caritas.

Sie sind einer von 246 Parlamentariern in Bern…

Tschümperlin: Sie vergessen die CVP. Zudem lesen viele SP-Parlamentarier, die der katholischen Kirche angehören, die Publikationen der Hilfswerke sicher auch.

Aufgrund der Zuwanderung kann die Schweiz eine internationale Drehscheibe in vielfältiger Art und Weise sein. Die Migranten habe Verbindungen in alle Welt, wie der Genfer Soziologe Sandro Cattacin an der Tagung ausführte. Nutzt die Schweiz heute diese Chance genug?

Tschümperlin: Noch nicht genug, aber sie tut es schon. An der Schule, an der ich unterrichte, stammen Schülerinnen aus dem Iran. Dank ihrer Hilfe konnte eine Schweizer Firma ein grosses Staudammprojekt realisieren. Die Frauen kannten die Sprache und die Kultur, sie waren in ihrer Heimat vernetzt. Die Schweiz nutzt solche Verbindungen schon sehr stark. Es kann aber noch besser werden.

Müssen die Schweizer die Augen mehr öffnen?

Tschümperlin: Die Leute, die international arbeiten, sehen das. Jene Leute, die sehr lokal orientiert sind, sehen das zu wenig. (gs)

Kath.ch-Dossier zum Caritas-Forum 2015

https://www.kath.ch/medienspiegel/zuwanderung-neu-denken

 

Nationalrat Andy Tschümperlin| © andy-tschuemperlin.ch
30. Januar 2015 | 15:15
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!