Strassenstrich: Eine Prostituierte wartet auf Kundschaft.

Seelsorge in Tabu-Zone – Katholische Kirche beider Basel will für Prostituierte da sein

Basel, 1.7.15 (kath.ch) Die römisch-katholische Kirche beider Basel schafft auf den 1. Januar 2016 eine neue Seelsorge-Stelle für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter. Die Stelle heisst «Seelsorge im Tabubereich» (SiTa) und soll bestehende Angebote ergänzen und erweitern, teilte die Fachstelle katholisch bl.bs am Mittwoch, 1. Juli, mit. Sie soll nicht «primär sozialpädagogisch arbeiten, sondern bewusst den spirituell-seelsorgerischen Aspekt ausbauen», sagte Thierry Moosbrugger, Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit in der römisch-katholischen Kirche beider Basel, auf Anfrage gegenüber kath.ch.

Barbara Ludwig

Mit der neuen Stelle will die Kirche in den Tabuzonen der Gesellschaft präsent sein, heisst es in der Mitteilung weiter. Dabei bezieht sie sich auf die Botschaft von Papst Franziskus, wonach die Kirche an die gesellschaftlichen und existentiellen Ränder gehen soll.

Es bestünden noch keine konkreten Ideen für spirituelle Angebote, so Moosbrugger gegenüber kath.ch. Es sei Aufgabe der künftigen Stelleninhaberin, solche Angebote in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen zu entwickeln. Bislang gibt es laut Moosbrugger in Basel einmal jährlich einen Gottesdienst für Sexarbeiterinnen in der Clarakirche, der von verschiedenen Organisationen getragen wird. Man müsse sich jedoch bewusst sein, dass sich das Sex-Milieu in den vergangenen Jahren stark verändert habe. Es sei sehr mobil geworden. Dies müsse bei neuen Angeboten berücksichtigt werden, sagte der Verantwortliche für Öffentlichkeitsarbeit.

Betroffene suchen offenes Ohr für ihre Geschichte

Moosbrugger hat zusammen mit Sarah Biotti, bei katholisch bl.bs verantwortlich für Diakonie, das Konzept für die neue Stelle erarbeitet. Er zeigte sich überzeugt, dass bei vielen Sexarbeiterinnen ein Bedürfnis nach spirituellen Angeboten vorhanden sei. Etwa bei Frauen aus Südamerika oder Ungarn. Natürlich seien nicht alle Betroffenen bereit, sich auf eine Begegnung mit einer katholischen Seelsorgerin – gesucht wird explizit eine Person weiblichen Geschlechts – einzulassen. Es sei aber gerade Aufgabe der Stelle, sich mit ihren Angeboten einzubringen und den Betroffenen auf Augenhöhe zu begegnen.

Moosbrugger und Biotti haben sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, mit Beratungsstellen in der ganzen Schweiz Kontakt aufgenommen, mit Prostituierten und Bordellbesitzern gesprochen. Dabei habe man festgestellt, so Moosbrugger, dass Betroffene ein grosses Bedürfnis verspürten, sich gegenüber einer Vertrauensperson zu öffnen. Mit der Stelle wolle man deshalb auch «Räume öffnen für persönliche Geschichten». Nicht die Hilfe zum Ausstieg sei das primäre Ziel, obschon man auch hier Unterstützung biete, wenn jemand das wünsche, sondern: «Die Seelsorgerin soll im jeweiligen Moment ganz da sein für das Gegenüber.»

Suche nach Standort im Rotlicht-Milieu

Derzeit sucht man nach einem Standort für die neue Stelle. «Wir hätten sie gerne im Basler Rotlicht-Milieu», sagte Moosbrugger. Also an der Rheingasse und der Webergasse in Kleinbasel. Ob man dort fündig wird, sei noch offen.

Die neue Stelle, die ein Pensum von 40 Prozent umfasst, wird im Sommer ausgeschrieben und auf den Januar 2016 besetzt. Sie ist befristet und als Projektstelle vorerst bis Ende 2018 bewilligt, heisst es in der Mitteilung weiter. Vor Ablauf der Frist werde geprüft, ob sie mit der gleichen Thematik oder mit einem neuen Schwerpunkt weitergeführt wird oder aufgehoben werden soll.

Neues Engagement nach Auflösung von Aids-Pfarramt

Die neue Stelle ist gewissermassen ein Nachfolgeprojekt für das Ende 2013 geschlossene Aids-Pfarramt, mit dem die Kirche ihr «Engagement an den Rändern der Gesellschaft», so Moosbrugger, fortsetzen will. Das Aidspfarramt mit ökumenischer Trägerschaft war nach über zwei Jahrzehnten aufgelöst worden, nachdem sich die Lebensbedingungen der Aidskranken stark gewandelt hatten, heisst es im Konzept «Seelsorge im Tabubereich». (bal)

Strassenstrich: Eine Prostituierte wartet auf Kundschaft. | © KEYSTONE/DPA/Robert Schlesinger
2. Juli 2015 | 07:00
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