Religiöse Satiren im «Blick am Abend» vom 8. Januar 2015
Schweiz

«Satire darf auf Missstände in Kirche und Religion zeigen»

Zürich, 11.1.15 (kath.ch) Wie beurteilen praktizierende Christen hierzulande die Frage, was Satire darf und was nicht? Kath.ch hat sich bei Ordensleuten und anderen Gläubigen umgehört.

Von Sylvia Stam

«Satire darf jedes Thema aufgreifen, auch die Religion», sagt Urban Federer, Abt des Klosters Einsiedeln SZ. Denn Satire mache auf wunde Punkte und Missstände aufmerksam. «Diese wunden Punkte gibt es auch bei Kirchen und Religionsgemeinschaften». Dennoch müssten gute Satirikerinnen und Satiriker merken, so Federer, «wann die Grenze zur Geschmacklosigkeit überschritten wird» – beispielsweise, wenn Satire Menschen verhöhne, nur weil sie gläubig seien oder eine andere Hautfarbe hätten.

Auch für den Kapuziner Willi Anderau muss Satire nicht vor religiösen Gefühlen Halt machen. Diese nämlich seien «sehr subjektiv: Irgendjemand ist immer irgendwo verletzt». Er appelliert deshalb an die Verantwortung des Autors, der sich fragen müsse, was er mit seiner Satire auslösen wolle: «Richtet er sein satirisches Vergrösserungsglas auf Missstände oder macht er sich über echte humane oder religiöse Werte lustig?»

Sich in religiöse Menschen hineindenken

Für Ingrid Grave, Dominikanerin, hat Satire Grenzen. «Wenn man Satire macht, soll man sich auch in religiöse Menschen hineindenken und sich fragen: ‹ Was könnte sie verletzen?›». Sie selbst kennt das Gefühl, in ihren religiösen Gefühlen verletzt zu werden: «Wenn ich spüre, dass jemand sich über meinen Glauben amüsiert und diesen lächerlich macht, verletzt mich das». Als Beispiel nennt sie einen Artikel, den sie kürzlich gelesen hat, in welchem es um die Entstehung der Welt ging. «Die Wissenschaft sagt, dass die Welt ganz anders entstanden ist, als es in der biblischen Schöpfungsgeschichte steht. Der Artikel stellte die Christen pauschal als naive Menschen dar, die nun ein Problem hätten. Da wird man als gläubige Christin für dumm verkauft. Ich krieg überhaupt kein Problem dadurch, dass die Wissenschaft die Entstehung der Welt anders erklärt als die Bibel!», so Grave dezidiert.

Auch Anderau und Federer wissen um die Verletzlichkeit der eigenen religiösen Gefühle. Satire könne seine religiösen Gefühle dann verletzten, wenn sie billig sei und der Hintergrund zu wenig recherchiert wurde, weil die Satiriker «mit der Meute heulten», sagt Anderau, und Federer doppelt nach: «Wenn sie meinen Glauben lächerlich macht, ohne auf Missstände hinzuweisen, einfach beleidigt um der Effekthascherei willen, dann kann sie mich verletzen.»

Verwurzelt im Glauben

Lukas Fries-Schmid, Leiter der franziskanisch geprägten Lebensgemeinschaft Sunnehügel – Haus der Gastfreundschaft in Schüpfheim LU, unterscheidet zwischen Sender und Empfänger der satirischen Botschaft: «Dass Satire jemanden verletzen kann, ist eine Sache des Empfängers, nicht des Senders.» Entsprechend kann sich der Theologe nicht vorstellen, in seinen eigenen religiösen Gefühlen verletzt zu werden. Er sieht einen Zusammenhang zur Tiefe des eigenen Glaubens: «Je verwurzelter ich bin in meinem Glauben, desto weniger werde ich erschüttert», so Fries-Schmid. Eine Grenze sieht allerdings auch er dort, wo es nur darum geht, Menschen schlecht zu machen, wie das beispielsweise bei antisemitischen Stereotypen der Fall ist. «Wenn jemand jedoch einen guten Witz macht und den Finger auf einen wunden Punkt legt, dann hat die Satire Veränderungspotenzial zum Guten», ist Fries-Schmid überzeugt. (sys)

Religiöse Satiren im «Blick am Abend» vom 8. Januar 2015 | © 2015 Sylvia Stam
11. Januar 2015 | 09:37
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