Gabriel Ringlet
Schweiz

Ringlet beerdigte Missbrauchsopfer – und will kein Schweigen der Kirche

Freiburg i. Ü., 30.10.15 (kath.ch) Die Pädophilie in der Kirche ist kein Kavaliersdelikt und keine Bagatelle, sagte der belgische Priester, Schriftsteller und emeritierte Professor Gabriel Ringlet in einem Vortrag in Freiburg am Donnerstag, 29. Oktober. Die katholische Kirche müsse sich vielmehr um Wiedergutmachung bemühen und den Ursachen für den sexuellen Missbrauch nachgehen. Ringlet sprach auf Einladung der Gruppe zur Unterstützung von durch Priester der katholischen Kirche Missbrauchten (Sapec) an der Universität Freiburg.

Der emeritierte Professor für Kommunikation und Journalismus an der katholischen Universität in Löwen griff in seinem Vortrag auf Erfahrungen zurück, die er sowohl mit Opfern und Tätern gemacht habe. Ringlet wurde in Belgien als Priester bekannt, als er 1996 die beiden Opfer Julie et Melissa des Pädophilen Marc Dutroux beerdigen musste. In der Folge wurde er Ansprechperson für viele Betroffene. Diese hofften, er könne ihnen «seelisch Beistand» geben, sagte Ringlet in Freiburg.

Rund zehn Jahre nach dem Geschehen um Dutroux wurde er ein weiteres Mal hart mit der Pädophilie konfrontiert. Diesmal ging es um den Bischof von Brügge, Roger Vangheluwe. Nach Missbrauchsvorwürfen trat dieser zurück. Dem Rücktritt folgten zahlreiche Denunziationen. «Diesmal traf der Skandal direkt meine Kirche. Völlig gelähmt reagierte diese sehr ungeschickt», so der Priester.

Die kirchlichen Verantwortungsträger traten zwar ehrlich auf. Sie realisierten gemäss Ringlet jedoch nicht den Umfang des Skandals und gingen darum davon aus, das Problem liesse sich kirchenintern lösen. Die Öffentlichkeit habe mit Unverständnis reagiert. Schliesslich griff das belgische Parlament ein und schuf eigens eine Kommission, die sich mit dem Geschehen in der Kirche befasste. Auch der Theologe Ringlet wurde befragt.

Schweigen kann sehr gefährlich sein

Pädophilie richten einen dreifachen Schaden an, sagte der Priester: physisch, psychisch und seelisch. Das Schweigen der Kirche zum Geschehen habe manchmal mehr verletzt als die Tat selber. Ringlet wies auf ein Mädchen hin, dass im Alter von zwölf Jahren von einem Pfarrer missbraucht wurde. Sie habe sich zwar sehr schnell an Geistliche und Ordensfrauen ausserhalb der Pfarrei gewandt. Diese hätte jedoch nicht dafür gesorgt, dass der Missbrauch durch den genannten Pfarrer endete.

Ringlet sprach sich in Freiburg dafür aus, dass die Kirche selbstkritisch das Problem der Pädophilie in den eigenen Reihen aufarbeitet. Sie müsse aber auch erarbeiten, wie es zu den Verbrechen und dem Schweigen darüber gekommen sei. Der Priester denkt auch an eine finanzielle Gutmachung, auch wenn viele Opfer keine solche forderten. Die Bitte um Vergebung sei der nächste Schritt. Diese Bitte sei nötig, um «einen Bruch in der Kette der Unmenschlichkeit zu bewirken». Die Kirche müsse zudem ihre Haltung zur Sexualität und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft überdenken.

«Viele Priester, Väter, Grossväter, Onkel, Brüder haben unter einer unreifen Sexualität gelitten», so der Redner in Freiburg. Das Milieu, in welchem sie aufwuchsen, habe Ausrutscher und die Banalisierung der Taten ermöglicht. Heute nehme die Kirche das Thema «zum Glück» auch in der Ausbildung der Priester viel ernster. (cath.ch/gs)

 

 

Gabriel Ringlet | © 2015 Maurice Page
30. Oktober 2015 | 16:03
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