Daniel Anrig
Schweiz

Papst hat Anrig verabschiedet – wer wird neuer Kommandant?

Aktualisiert und ergänzt um Stellungnahme von Alain de Raemy zu Selektionskriterien.

Zürich/Rom, 31.1.15 (kath.ch)  Der scheidende Kommandant der Schweizergarde, Daniel Anrig, hat seinen Abschiedsbesuch bei Papst Franziskus absolviert. Das teilte der Vatikan am Freitag trocken mit. Die Entlassung Anrigs stand seit Anfang Dezember fest. Am Samstag wird er bei einer Abschiedszeremonie offiziell aus dem Dienst entlassen. Wie das Prozedere zur Kür seines Nachfolgers aussieht, ist wenig transparent, wie Recherchen von kath.ch zeigen.

Um die Entscheidung des Papstes im Dezember, Anrig kurzfristig per Ende Janaur zu entlassen, hatte es viele Spekulationen gegeben. Franziskus habe der harte militärische Drill des Kommandanten missfallen, wurde gemutmaßt. Auch von Ärger über den angeblich luxuriösen Lebensstil des 42-jährigen Schweizers war die Rede. Der Papst wies die Vermutungen indes unlängst in einem Presseinterview zurück. Allerdings bestätigte Anrig am Donnerstag in einem Gespräch mit der liberalen Neuen Zürcher Zeitung, dass er kein Verständnis für die Kritik des Papstes am Wasserverbot für Wache stehende Gardisten habe, so menschlich das vom Papst auch sei.

Offiziell begründete Papst Franziskus die Blitz-Entlassung damit, dass die fünfjährige Dienstzeit Anrigs kurz nach der Papstwahl ohnehin beendet gewesen sei; er habe Anrig danach nur vorläufig im Amt belassen, um zunächst die Kontinuität zu wahren. Der frühere Kripochef von Glarus und studierte Jurist führte die 110 Mann starke Leibgarde des Papstes seit 2008.

Wie wird man Kommandant der Schweizer Garde?

Daniel Anrigs Vorgänger hat sich seinerzeit selber beim Nuntius um die Stelle des Kommandanten der Schweizer Garde beworben. Der aktuelle Nuntius will von einem solchen Vorgehen nichts wissen. Das Wahlprozedere für diesen Posten bleibt weitgehend im Dunkeln, wie Recherchen von kath.ch zeige

«Die Wege des Herrn sind unergründlich», sagt Elmar Mäder, von 2002-2008 Kommandant der Schweizer Garde und damit Vorgänger von Daniel Anrig, auf die Frage, wie jemand Kommandant der Schweizer Garde wird. «Ich habe mich für dieses Amt interessiert und mich beim Nuntius gemeldet. Dort fand ein Gespräch statt und ich habe eine eigentliche Bewerbung geschrieben. Es hat dann Jahre gedauert, bis diese Stelle frei wurde und ich als Vizekommandant in die Garde kam. Als Pius Segmüller zurücktrat, wurde ich dann Kommandant», sagt er auf Anfrage von kath.ch.

Ob dies das generelle Vorgehen sei, kann Mäder nicht sagen. Eine offizielle Ausschreibung gebe es aber seines Wissens nicht. «Es kann sein, das man bei der Bischofskonferenz nachfragt, ob ein geeigneter Kandidat da ist oder ob sich allenfalls jemand beim Nuntius oder bei der Kurie in Rom gemeldet hat.»

Bundesrat redet nicht mit

Eines weiss Mäder mit Gewissheit: «Der Bundesrat hat nichts mitzureden. Die Schweizergarde ist keine Institution der Eidgenossenschaft.» Der Vorgänger Anrigs geht davon aus, dass der Nuntius sein Dossier nach Rom weitergeleitet habe. «Für mich war das Gespräch mit dem Nuntius schon entscheidend, denn er hatte den ersten persönlichen Eindruck gewonnen seitens der Kurie. Aber er entscheidet nicht.»

Formell entscheide zwar der Papst, aber die Auswahl finde weiter unten statt: Da seien der Kardinal Staatssekretär und darunter der Substitut im Staatssekretariat, welcher das Wesentliche vorbereite. «Wenn der sein ok gibt, werden die anderen auch einverstanden sein», so Mäder, der heute Geschäftsführer der Firma Medical Vision AG im thurgauischen Roggwil ist.

Nuntius hat nichts mit Wahlverfahren zu tun

Auch das Umgekehrte komme vor: Wenn ein Interessent sich direkt in Rom bewerbe, könne es sein, dass der Nuntius den Auftrag erhalte, sich bei den Bischöfen oder in einer Pfarrei nach dieser Person zu erkundigen. «Für den Informationsprozess ist der Nuntius sicher eine wichtige Person», so Mäder.

Diego Causero, aktueller Nuntius in Bern, bestätigt allerdings dieses Vorgehen nur teilweise. «Die Nuntiatur hat mit dem Auswahlverfahren nichts zu tun», sagte er gegenüber kath.ch. Er hole lediglich Stellungnahmen ein, etwa bei den Bischöfen. Wenn sich Interessenten in dieser Angelegenheit an ihn wendeten, verweise er sie an Weihbischof Alain de Raemy, den früheren Kaplan der Schweizer Garde. Er habe Interessenten für die Schweizer Garde nie persönlich getroffen und sei auch nie darum gebeten worden, so Causero gegenüber kath.ch. «Ich versuche, eine möglichst grosse Unabhängigkeit zu bewahren, ich will damit nichts zu tun haben.» Wie das Auswahlprozedere ablaufe, wisse er nicht genau, ebenso wenig, welches die Auswahlkriterien seien.

Laut Alain de Raemy, Weihbischof von Freiburg, Lausanne und Genf, müssen sich spontane Bewerber  aus der Schweiz beim Ortbischof melden, dann laufe es über die Nuntiatur. Der Schweizer Kandidat müsse Miliz-Offizier der Schweizerarmee und ein überzeugter Katholik sein sowie über eine akademische Ausbildung verfügen, sagte de Raemy auf Anfrage von kath.ch. Wenn der Kandidat bereits in der Garde sei, so müsse er sich als Gardist bewährt haben.

Elmar Mäder hält es aus eigener Erfahrung hält für wichtig, dass ein Kandidat über gute Führungsqualitäten verfügt und kommunikativ ist, denn er habe mit Institutionen in- und ausserhalb des Vatikan zu tun. Er sollte einen einfachen Umgang mit Medien haben und auch immer wieder in diesen präsent sein, weil er ja auch mit der Rekrutierung der Gardisten zu tun habe und die Schweizer Garde auf diesem Weg bekannt machen könne.

Anrig kein harter Mensch

Über die Gründe für Anrigs raschen Rücktritt kursieren Gerüchte, unter anderem jenes, er sei zu streng gewesen. Strenger jedenfalls als sein Vorgänger Mäder. «Das ist möglich», meint Mäder dazu, der den abtretenden Kommandanten persönlich kennt. «Daniel Anrig ist in der militärischen Form und in seinem Auftreten wohl etwas ernster und strenger als ich. Aber ich glaube nicht, dass er in seinem Kern ein harter Mensch ist.» Gleichzeitig hat Mäder die Erfahrung gemacht, dass die Ansprüche an eine militärisch straffe Organisation gerade bei den jungen Schweizer Gardisten sehr hoch seien. «Das sind leistungsbereite junge Menschen, die auch eine militärische Organisation erwarten.»

Gemäss de Raemy ist noch kein Verfahren im Gange, wer Anrigs Nachfolger werden wird. Der jetzige Vize-Kommandant Christoph Graf werde ad-interim so lange wie nötig der Truppe vorstehen. Laut der französischen Nachrichtenagentur Imedia soll Graf auch langfristig die Nachfolge von Anrig antreten.  Imedia sei im Allgemeinen nicht schlecht informiert, weiss Elmar Mäder. «Graf ist ein langjähriger Gardist, ein sehr loyaler Mensch mit einem guten Gespür für das, was die Gardisten brauchen. Ich kann mir das gut vorstellen, aber ob er auf der Liste der Kurie steht und ob er will, weiss ich nicht.» Es sei aber eine ungeschriebene Regel, dass der Name des neuen Kommandanten erst nach der Verabschiedung des alten bekannt gegeben werde, so Mäder. (sys/dsw/cic)

 

Daniel Anrig | © Oliver Sittel
30. Januar 2015 | 13:05
Lesezeit: ca. 4 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!