Reinhard Schulze, Islamwissenschaftler
Schweiz

Grosse Islam-Serie (I): Professor Schulze, wie beschreibt der Koran den Weltuntergang?

Bern, 2.2.15 (kath.ch) Der Koran ist das heilige Buch der Muslime. Aber was steht eigentlich in diesem Buch? Und welchen Stellenwert hat es für gläubige Muslime? In unserer Serie vom Montag, 2. Februar, bis Samstag, 7. Februar, antwortet Reinhard Schulze, Islamwissenschaftler an der Universität Bern, täglich auf drängende Fragen zum grossen Buch der Muslime. Heute: Der Koran und der Weltuntergang.

Sylvia Stam

Was für eine Geschichte wird im Koran erzählt?
Zunächst offenbart der Koran die Wahrheit, dass es nur einen Gott gibt, der wird mit den Begriffen der Herr, der Barmherzige und Allah bezeichnet. Erzählt wird weiter, dass die Welt ein Ende haben wird, dass die Menschen am jüngsten Tag von Gott, dem Schöpfer der Welt, gerichtet werden.

Der Koran fordert die Menschen ausserdem zu gottestreuem Handeln auf. Gottestreu zu handeln, heisst, den Kult zu praktizieren, also nur den einen Gott anzubeten. Dieser Kult umfasst die berühmten fünf Säulen: Muslime sollen das Glaubensbekenntnis aussprechen, fünfmal täglich in Richtung des Heiligtums Ka’ba in Mekka beten, Almosen geben, die Pilgerfahrt nach Mekka machen und im Monat Ramadan fasten. Das wird als gottestreues Leben bezeichnet. Hinzu kommt eine allgemeine Tugendlehre: Der Mensch gilt dann als gottestreu, wenn er masshält, wohltätig ist, kluge Besonnenheit zeigt und gerecht ist.

Schliesslich werden noch Anordnungen getroffen, wie dieser Kult des einen Gottes gestaltet werden soll und wie er zu schützen ist. Dann gibt es noch Hinweise darauf, welche Regeln in der Gemeinschaft der Muslime dann zu gelten haben, damit dieser Kult Bestand hat. Dazu zählen zum Beispiel Regeln über den Schutz der Nachkommenschaft oder des Eigentums. Grossen Raum nehmen auch Erzählungen über frühere Propheten und Gottesgesandte ein.

Wie ist der Koran aufgebaut?
Der Koran ist nach 114 Suren gegliedert, die auf den ersten Blick nach absteigender Länge geordnet sind. Wenn man genauer hinschaut, dann sieht man, dass es auch ein Schema gibt, das die Anordnung bestimmt und somit die Geschichte des Korans spiegelt. So stehen die die kürzeren Suren, die als erste offenbart wurden, am Ende des Korans. Den Anfang bilden vier Suren, die aus Medina stammen und ein Fünftel des Gesamttextes umfassen.

Was ist eine Sure?

Der Begriff Sure bezeichnet eine Texteinheit, die einen Offenbarungsabschnitt zusammenfasst. Eine Sure kann sehr unterschiedlich lang sein, von vier bis 287 Verse. Im Koran gibt es etwa 6350 Verse, je nachdem, wie man zählt, und diese sind in die 114 Suren gegliedert.

Wie wird der Weltuntergang geschildert?

Die Apokalypse und die Mahnung vor dem Weltenende bildeten den Kern der ersten frühen Offenbarungen an den Propheten Mohammed in Mekka.

Das Weltenende wird in drastischen Farben geschildert: Der Himmel wird zerbrechen, die Sterne werden zerstreut, die Berge werden sich bewegen, die Erde wird sich aufblähen. Das sind poetische Bilder, die deutlich machen, dass hier das Weltenende als unmittelbar bevorstehend vorgestellt wurde. Der Koran selbst enthält jedoch keine ausführlichen Prophezeiungen über den Verlauf der endzeitlichen Geschichte.

Erwarten Muslime einen baldigen Weltuntergang?

In der islamischen Frühzeit war die Erwartung eines baldigen Weltuntergangs allgegenwärtig. Diese Endzeiterwartung war typisch für die Spätantike und findet sich genauso in christlichen und jüdischen Texten dieser Zeit. Heute verstehen fromme Muslime die Zeichen der Endzeit mehrheitlich als Erinnerung, Mahnung und Warnung. Wie in christlichen Traditionen erwarten sie zwar die Endzeit, doch mehrheitlich nicht im Sinne einer Naherwartung. (sys)

Vorschau:
Dienstag, 3. Februar: Hat Mohammed den Koran selber geschrieben?

Reinhard Schulze, Islamwissenschaftler | © Screenshot SRF
2. Februar 2015 | 10:02
Lesezeit: ca. 2 Min.
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