Metropolit Hilarion und Kardinal Koch in Freiburg
Schweiz

Papsttreffen mit Kyrill: Schweizer Plattformen als Wegbereiter

Zürich, 12.2.16 (kath.ch) Papst Franziskus und der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. treffen sich heute um 20 Uhr (Schweizerzeit) in Kuba. Damit dieses erstmalige Treffen zwischen einem Papst und einem russisch-orthodoxen Patriarchen überhaupt zustande kommen konnte, dürften Schweizer Kanäle eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben. Kardinal Koch und Metropolit Hilarion nehmen Schlüsselstellungen beim Treffen ein. Der Moskauer Metropolit Hilarion ist Titularprofessor der Theologischen Fakultät Freiburg.

Georges Scherrer, Johannes Schidelko

Die russisch-orthodoxe Kirche verfügt in der Schweiz über Gemeinden in Genf, Vevey, Basel, Zürich und Bern. In Bern ist Ioann Ciurin zuständig für die Gemeinschaft. Der Priester bezeichnet das Treffen zwischen dem Papst und dem Patriarchen als «kirchenhistorisch grosses Ereignis». Es stelle einen wichtigen Schritt in den Beziehungen der beiden Kirchen dar.

«Für mich ist diese Begegnung ein Zeichen, dass unsere Kirchen unter der Definition der Liebe und des Dialogs leben wollen», sagte Ciurin gegenüber kath.ch. Die Welt erlebe heute eine grosse Krise der Liebe unter den Menschen. Die Kirchen sollten als Erste ein Vorbild der Versöhnung und Gesprächsbereitschaft sein. «Ich hoffe, dass dieses Treffen ein gutes Beispiel in diese Richtung geben wird.» Für die Christen in der Schweiz, die verschiedenen Konfessionen angehören, sollte dieses Ereignis eine Bestärkung sein und Hoffnung auf dem christlichen Weg geben.

Auch der Schweizer Kardinal Kurt Koch hofft, dass das Treffen eine klare Botschaft des Friedens und der Versöhnung in die heutige Welt senden wird. Im Interview mit kath.ch wies er zudem darauf hin, dass in der Ökumene persönliche Beziehungen wichtige Voraussetzungen für den theologischen Dialog seien. Die Schweiz bietet dazu verschiedene Plattformen. In Genf hat der Ökumenische Rat der Christen (ÖRK) seinen Sitz. Die russisch-orthodoxe Kirche ist dort Mitglied, die katholische Kirche hat Beobachterstatus.

Hilarion als Wegbereiter

Zur Vertrauensbildung zwischen der katholischen Kirche und dem Moskauer Patriarchat dürfte auch die seit vielen Jahren geleistete Arbeit des Instituts für Ökumenische Studien an der Universität Freiburg beigetragen haben, erklärte die Dogmatikerin Barbara Hallensleben, die dem Direktorium des Instituts angehört, gegenüber kath.ch. Der Moskauer Metropolit Hilarion ist Titularprofessor der Theologischen Fakultät Freiburg.

Im Rahmen von Veranstaltungen des Instituts kam es zu verschiedenen Begegnungen zwischen hohen russisch-orthodoxen Würdenträgern und Kardinal Kurt Koch, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Durch die Zusammenarbeit mit dem Institut für orthodoxe Theologie in Chambésy bei Genf arbeitet das Freiburger Institut im panorthodoxen Horizont mit der orthodoxen Welt zusammen.

Mehrere gescheiterte Versuche

Das Treffen zwischen den beiden Kirchenoberhäuptern ist ein Meilenstein in der Geschichte einer seit 1000 Jahren schwierigen Beziehung zwischen Rom und Moskau. Im Jahr 1054 kam es zum grossen Schisma in der Christenheit zwischen der West- und der Ost-Kirche.

Seit 30 Jahren ist ein Gipfeltreffen von römischem Papst und Moskauer Patriarchen immer wieder im Gespräch. Mehrmals gab es Geheimplanungen zu solchen Begegnungen, die jedoch stets im letzten Moment platzten. Nur mit Mühe und in intensiven Gesprächen insbesondere durch die Kurienkardinäle Walter Kasper und Kurt Koch auf katholischer Seite wurden die Vorbehalte ein Stückweit ausgeräumt.

Hilarion fordert engere Zusammenarbeit

Metropolit Hilarion, der Leiter des Aussenamts des Patriarchats ist, begründete in Moskau das überraschende Treffen auf Kuba vor allem mit der Lage im Nahen Osten, Nord- und Zentralafrika und anderen Regionen, in denen Extremisten einen «wirklichen Völkermord» an Christen verübten. Dies erfordere dringende Massnahmen und eine engere Zusammenarbeit zwischen den christlichen Kirchen, sagte Hilarion vor Journalisten. Angesichts der gegenwärtigen tragischen Situation müsse man «interne Meinungsverschiedenheiten» zurückstellen.

Zur Wahl der Karibikinsel als Begegnungsort meinte Hilarion, Kyrill I. habe immer ein Treffen in Europa für unangebracht gehalten, weil mit diesem Kontinent die belastete Geschichte von Trennungen und Konflikten verbunden sei.

Koch und Hilarion an vorderster Stelle

Diese historische Begegnung soll gerade drei Stunden dauern. Nach einem protokollarischen Empfang durch Staatschef Raul Castro ziehen sich Franziskus und Kyrill zunächst zu einem «privaten Gespräch» in einem Flughafengebäude zurück. Danach begeben sie sich in einen Nebenraum, wo sie in Anwesenheit der vatikanischen wie der Moskauer Delegation eine gemeinsame Erklärung unterzeichnen. Dazu gehören für den Heiligen Stuhl Kurienkardinal Kurt Koch und für die Orthodoxie Metropolit Hilarion.

Franziskus hatte in der Vergangenheit mehrfach angedeutet, zu einem Treffen mit Kyrill I. an jedem beliebigen Ort bereit zu sein. Unter seinem Vorgänger Benedikt XVI. (2005-2013) hatten sich die Beziehungen zwischen Rom und Moskau nach schwierigen Jahren deutlich verbessert.

Bisherige Widerstände

Im Pontifikat von Johannes Paul II. (1978-2005) galt auch dessen polnische Herkunft als ein Hinderungsgrund für eine Begegnung der beiden Kirchenführer. Neben der Rolle der Katholiken in der Ukraine hatte die russisch-orthodoxe Seite auch die Errichtung von vier katholischen Diözesen in Russland im Jahr 2002 als Affront gewertet.

Dass eine Begegnung zwischen Franziskus und Kyrill jetzt zustande kommt, dürfte auch mit dem Ökumene-Verständnis des Papstes zu tun haben. Für ihn stehen menschliche Begegnung, Freundschaft und Verständnis aber auch praktische Zusammenarbeit für die grossen Menschheitsfragen wie Frieden, Gerechtigkeit oder Bewahrung der Schöpfung stärker im Vordergrund als theologische Dispute.

Patriarch Kyrill hält sich dort zu einem offiziellen Besuch in Kuba auf. Papst Franziskus macht einen Zwischenstopp auf dem Weg zu seinem Pastoralbesuch nach Mexiko. (gs/cic)

Die Begegnung live auf vatican.va

 

Metropolit Hilarion und Kardinal Koch in Freiburg | © Jacques Berset
12. Februar 2016 | 12:30
Lesezeit: ca. 3 Min.
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