Bundesrätin Doris Leuthard am Staatsakt "600 Jahre Niklaus von Flüe" in Sarnen
Schweiz

«Man glaubte Bruder Klaus, weil man ihm nicht misstrauen konnte»

Sarnen, 30.4.17 (kath.ch) «Zuhören» und «Vertrauen» waren Begriffe, die in den Reden anlässlich des Staatsakts zum 600. Geburtstag von Niklaus von Flüe im Zentrum standen. Bundespräsidentin Doris Leuthard ging ebenso darauf ein wie Festredner und Literaturprofessor Peter von Matt. Unter den 300 geladenen Gästen befanden sich auch zahlreiche Kirchenvertreter .

Sylvia Stam

Unter einem strahlend blauen Himmel waren am Sonntag die gegen 700 Personen, davon 300 Gäste vor allem aus Politik, aber auch aus kirchlichen Kreisen, vom Dorfplatz in Sarnen den kurzen Weg hinauf zum so genannten «Landenberg» gelaufen. Der Ort, wo traditionellerweise die Landsgemeinde stattfand. Begleitet wurde der Zug denn auch von den Klängen der Feldmusik Sarnen, die den Landsgemeindemarsch spielte.

Der Platz auf dem Landenberg schien prädestiniert für den Staatsakt anlässlich des Geburtstags eines Heiligen: Auf der Rednerbühne ein grosses, schlichtes Holzkreuz, gesäumt von der Fahne des Kantons Obwalden und der Landesfahne. Im Hintergrund ein strahlend blauer Himmel und ein grandioser Blick in die verschneiten Ob- und Nidwaldner Alpen. Als hätte Bruder Klaus genau rechtzeitig ein Wunder gewirkt und nach tagelangem Schneeregen die Sonne scheinen lassen.

Über allen Konfessionen

Der Obwaldner Landammann und Präsident des Trägervereins «600 Jahre Niklaus von Flüe», Franz Enderli, wies in seiner Begrüssung darauf hin, dass alle Stände an diesem Staatsakt vertreten seien. «Ein starkes Zeichen», so Enderli.

Unter den Machtschutz Gottes

In seiner Begrüssung erwähnte er auch Markus Büchel als Vertreter der Schweizer Bischofskonferenz, Generalvikar Martin Kopp als Vertreter des Bistums Chur, die Äbte von Muri-Gries und von Engelberg, die Äbtissin des Klosters Sarnen und die Priorin des Klosters Melchtal sowie Peter Schmid als Vertreter des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes. Denn schliesslich stehe Niklaus von Flüe über allen Konfessionen, so Enderli. Trotz des politischen Anlasses stellte auch Enderli den Staatsakt «unter den Machtschutz Gottes», wie dies jeweils der Landammann an der Landsgemeinde zu tun pflegte.

Eidgenossen auf Identitätssuche

Auf grosse Resonanz stiess die anschliessende Festrede von Peter von Matt, emeritierter Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Zürich und gebürtiger Nidwaldner. In kernigen Worten schilderte er die Identitätssuche der Eidgenossen zu Lebzeiten von Niklaus von Flüe, sprach von «totschlagen» und der «Lust, einander zu ertränken», von Seeschlachten auf dem Zürichsee und vom «europäischen Machtfaktor», zu dem die Eidgenossen nach den Siegen über die Burgunder über Nacht geworden seien.

Die Kräfte des Chaos binden

In solchen Zeiten habe es eine Stimme gebraucht, um die «Kräfte des Chaos» zu binden. «Diese Stimme kam aus der tiefen Schlucht im Melchtal». Niklaus von Flüe sei kein Prophet gewesen, dennoch erinnere die Figur an die Gestalt eines Sehers, «der weiss, was in der Not zu tun ist». «Man hat ihm geglaubt, weil niemand, der ihm persönlich begegnete, ihm misstrauen konnte». Gerade deshalb hätten seine wenigen Worte Gewicht gehabt.

Einander gehorsam sein

Der Germanist von Matt zitierte in der Folge drei Sätze aus einem Brief von Niklaus von Flüe an den Rat von Bern. Ins Zentrum stellte er dabei dessen Aussage, «darum sönd ir luogen, dz ir einander gehorsam syend» (Darum sollt ihr euch bemühen, einander gehorsam zu sein). Das Wort «horchen», auf das «gehorsam» zurückzuführen sei, meine hier «aufmerksam auf etwas hören». Der Zuruf ziele somit auf die politische Kommunikation: Die Art, wie man mit dem politischen Gegner rede, bestimme die politische Qualität der Debatte und damit den Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger.

Verständigung unter gegenseitigem Respekt

Im Folgesatz «Darumb so sönd ihr luogen, dz i ruf frid stellend» (Darum sollt ihr bemüht sein, alles auf Frieden auszurichten) zeige sich, dass Friede für Niklaus von Flüe ein «Element täglichen politischen Handelns» sei, genauso wie die politische Kommunikation, nämlich die «Verständigung unter gegenseitigem Respekt».

Braucht es heute wieder einen Bruder Klaus?

Nach einem witzigen szenischen Intermezzo von Schauspieler Hanspeter Müller-Drossaart griff Bundespräsidentin Doris Leuthard in ihrem Grusswort ebenfalls die zentrale Bedeutung des Zuhörens auf. Niklaus von Flüe habe das Vertrauen der Menschen gehabt, «weil er zuzuhören wusste», so Leuthard. «Weil er Vertrauen schenkte und Vertrauen nicht missbrauchte». Danach hätten wir auch heute, in Zeiten von Populisten und Autokraten, unseren Kompass auszurichten. Entsprechend gelte es für Bürger wie für Politikerinnen, «Farbe zu bekennen und Verantwortung zu übernehmen».

Das schaffen wir selber!

Wichtig dafür sei das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, in den guten Willen des Anderen und in die Kraft der Mitmenschen – die Basis für das Funktionieren einer Demokratie. «Braucht es dazu wieder einen Bruder Klaus?», fragte die Bundesrätin zum Schluss. Und antwortete: «Das schaffen wir selber: Setzen wir uns zusammen, hören wir zu und arbeiten gemeinsam an der Zukunft unseres schönen Landes.»

Buntes Rahmenprogramm

Im Anschluss an den Festakt trafen sich Besucher und Gäste zum Volksapero auf dem Dorfplatz. Zahlreiche Besucherinnen und Besucher nutzten ausserdem das Rahmenprogramm, welches Klöster und Museen der Region nachmittags anboten. So konnte man etwa einen Blick in das «Weisse Buch von Sarnen» werfen, das unter anderem Abschriften der ersten Bundesbriefe enthält, andere nutzen die Gelegenheit für eine Besichtigung des Frauenklosters St. Andreas mit seinem bekannten «Sarner Jesuskind». Eine Vorführung von Luke Gassers «Von Flüe – Ein Mann in Pilgers Art» konnte man sich zu Gemüte führen wie eine Ausstellung zeitgenössischer Werke zum Radbild von Niklaus von Flüe im Museum Bruder Klaus in Sachseln.


Bundesrätin Doris Leuthard am Staatsakt «600 Jahre Niklaus von Flüe» in Sarnen | © Vera Rüttimann
30. April 2017 | 15:20
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!