Jubiläumssitzung des Katholischen Kollegiums St. Gallen mit Festredner Bischof Markus Büchel
Schweiz

Kirchgemeindeparlamente – manche haben's, andere wollen's nicht

Zürich, 30.3.15 (kath.ch) Wie werden grosse Kirchgemeinden geführt? Wie in politischen Gemeinden stellt sich ab einer bestimmten Grösse die Frage, ob es anstelle von Kirchgemeindeversammlungen ein Parlament braucht. Städte mit mehreren Pfarreien, die eine einzige Kirchgemeinde bilden, kennen solche Einrichtungen. Aber nicht überall wird diese Form angestrebt.

Martin Spilker

Im September 2014 entschieden die reformierten Stimmberechtigten in der Stadt Zürich, die bisherigen 33 Kirchgemeinden des Stadtverbandes zu einer einzigen Kirchgemeinde zusammenzuführen. Damit wird eine Kirchgemeinde mit rund 80’000 stimmberechtigten Mitgliedern entstehen. Die Erfahrungen zeigen, dass die Durchführung einer Kirchgemeindeversammlung einer mitgliederstarken Gemeinde vor zahlreiche Probleme stellt. Die Kirchensynode des Kantons Zürich hat am Dienstag, 24. März, denn auch die Grundlage geschaffen, dass bereits ab 2019 in Zürich reformierte Kirchenparlamente ihre Arbeit aufnehmen könnten.

Sehr unterschiedlich organisiert

Auf katholischer Seite gibt es im Kanton Zürich 75 Kirchgemeinden, davon allein in der Stadt 23. Hier gebe es aktuell keine Bestrebungen, diese Organisationsstruktur zu verändern, wie Aschi Rutz von der Katholischen Kirche im Kanton Zürich gegenüber kath.ch sagte. Entsprechend bestehe seitens der Kirchgemeinden kein Bedarf für Kirchenparlamente, da die Kirchgemeinden eine Grösse haben, in denen Versammlungen durchgeführt werden können. Dies schliesse aber nicht aus, dass künftig aufgrund von Zusammenschlüssen einzelner Kirchgemeinden das Bedürfnis nach Parlamenten wächst.

Im Kanton Luzern finden sich in den beiden grössten politischen Gemeinden auch in den katholischen Kirchgemeinden Parlamente: In der Kirchgemeinde Luzern der Grosse Kirchenrat mit 30 Mitgliedern, in Emmen zählt das Parlament 24 Mitglieder. Je nach Bedeutung kann ein Geschäft aber auch wieder allen katholischen Stimmberechtigten im Rahmen einer Urnenabstimmung vorgelegt werden. In Luzern steht die Aufteilung der Kompetenzen in der Kirchgemeinde denn auch unter dem Titel «Demokratie in der Kirche leben». – Nicht zu verwechseln mit den Kirchgemeindeparlamenten in Luzern ist die Synode, das Parlament der Landeskirche des Kantons.

Basel und Bern – andere Namen, andere Formen

Schon bei einem schnellen Blick auf die «Kirchgemeindelandschaft» der Schweiz wird deutlich, dass es bei den Kirchen nicht anders ist als bei den politischen Gemeinden: Der Schweizer Föderalismus beschert auch den Kirchen in jedem Kanton eigene Strukturen und Möglichkeiten. In Basel beispielsweise gibt es die römisch-katholische Kirche des Kantons Basel-Stadt. Und damit ist im Halbkanton die Kantonalkirche rechtlich vergleichbar mit einer Kirchgemeinde, welche für die Liegenschaften und Personaladministration aller Pfarreien zuständig ist. In Basel verfügen die Pfarreien dennoch über ein eigenes Budget und eigenes Vermögen, über das in den Pfarreiversammlungen entschieden wird, wie Roland Kobler, Geschäftsleiter der Verwaltung der Kantonalkirche erklärt.

Wieder anders ist es in Bern. Hier gibt es im ganzen Kanton 33 Kirchgemeinden. Rund um die Bundeshauptstadt wurde die Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung geschaffen, zu der 12 Kirchgemeinden gehören. Die Gesamtkirchgemeinde verfügt als eigene Körperschaft über ein Parlament mit 32 Mitgliedern. Nebst dem Kleinen Kirchenrat, der Exekutive – oder ausführenden Behörde – gibt es hier aber zusätzlich noch eine Präsidentenkonferenz. Dies ist sozusagen eine Scharnierstelle zwischen den örtlichen Kirchgemeinden und der Gesamtkirchgemeinde.

St. Gallen: Wissen, wovon die Rede ist

Die Unterscheidung von Kirchgemeinden und Pfarreien, grossen oder kleinen Kirchenräten und Pfarreiräten, Synoden und Synodalräten ist für Aussenstehende gar nicht so einfach. Anspruchsvoll wird dies in St. Gallen: Hier gibt es unter dem gleichen Namen sowohl eine Kirchgemeinde, ein Dekanat und ein Bistum. Die katholische Kirchgemeinde St. Gallen umfasst alle Stadtpfarreien und ist mit 30’000 Mitgliedern die grösste im Kanton und verfügt über ein Kirchenparlament. Zum Dekanat St. Gallen gehören nebst den Stadtpfarreien auch Landgemeinden – die aber wieder eigene Kirchgemeinden bilden. Und zum Bistum St. Gallen gehören selbstverständlich alle Pfarreien im Kanton, während der Katholische Konfessionsteil des Kantons wieder eine übergeordnete Körperschaft ist und mit dem Katholischen Kollegium sozusagen über ein katholisches Parlament verfügt. (ms)

 

Jubiläumssitzung des Katholischen Kollegiums St. Gallen mit Festredner Bischof Markus Büchel | © Regina Kühne
30. März 2015 | 06:56
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Duales Kirchensystem

Die Schweiz kennt in der Kirchenstruktur ein sogenannt duales System. Das meint, dass die pastorale Organisation, die Seelsorge, und die öffentlich-rechtliche Organisation, und damit steuerliche Hoheit und finanzielle Verwaltung, getrennt sind. In der römisch-katholischen Kirche zeigt sich dies durch doppelte Strukturen.

Die Seelsorge vor Ort wird in den Bistümern geregelt und kennt als weitere Organisationseinheiten Generalvikariate, beispielsweise für einzelne Gantone oder Regionen, die Bistumsregionen (nur im Bistum Basel), sowie als nächst tiefere Ebenen die Dekanate und dann die Pfarreien oder Seelsorgeeinheiten.

Die staatskirchenrechtliche Ebene ist in den Kantonen geregelt und wird sehr unterschiedlich benannt (zum Beispiel Kantonalkirche), wobei jede landeskirchliche Konfession ihre eigene Struktur hat. Auf der nächsten Ebene stehen die Kirchgemeinden, die nicht mit den politischen Gemeinden übereinstimmen müssen. (ms)