Kardinal Schönborn: «Papst darf reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist»

Wien, 29.3.15 (kath.ch) Der Papst darf in seinen Äusserungen auch «nach normalem Menschen klingen» und soll «so reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist»: Das hat Kardinal Christoph Schönborn in einem Gastbeitrag dargelegt. Das mitunter saloppe Reden von Franziskus sei Teil einer «erfreulichen Enthöhung» der Person des Papstes. Zugleich stellte der Wiener Erzbischof ein blosses «lauern auf Fussangeln» und reflexartige Empörungen über Einzelsätze fest.

Relativ neu sei die Auffassung, dass der Papst «einer von uns einfachen Menschen» sei, legte Schönborn dar. Zuvor habe das Petrusamt im 19. Jahrhundert eine «zeremonielle und protokollarische Überhöhung und Entrückung» erfahren, was der Kardinal auch als Reaktion auf den politischen Machtverlustes beschrieb. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts habe sich dies umgekehrt: Die Papstkrone, die dreistöckige Tiara oder die von zwölf Männern getragene Sänfte seien ebenso wie der Majestätsplural entsorgt und das Protokoll gelockert worden.

Papst Franziskus setze dies fort: Er mache vollends deutlich, «dass er sich von Gott in eine grosse Aufgabe gestellt sieht, aber der Mensch Bergoglio nicht in erster Linie Symbol oder Projektionsfläche ist, sondern einfacher Mensch. In aller Kleinheit und Fehlerhaftigkeit. Einer von uns», so Kardinal Schönborn, Vorsitzender der österreichischen Bischofskonferenz.

Lieber verbeult als wasserdicht

Wenn verständliche und natürliche Rede für Franziskus wichtiger sei als hundertprozentige Korrektheit, entspreche dies nur seinem eigenen Wunsch, «lieber eine verbeulte Kirche zu haben als eine, die sich ängstlich abschirmt». Der Papst widerlaufe damit der Tendenz, «alles, was aus dem Vatikan kommt, zuerst theologisch wasserdicht zu machen und jedes Missverständnis von vornherein zu vermeiden».

Heute seien «halbamtliche» Wortmeldungen des Papstes etwa in Interviews oder E-Mails weltweit bekannt noch bevor sie sein «Hofstaat» mitbekomme – der es zuvor stets «akribisch weggefiltert» habe, wenn sich ein Papst manchmal «einfach nur als Seelsorger, als Theologe, als Chef oder Freund» geäussert hatte. Ausdrücklich nahm der Kardinal dabei auch Bezug auf markante Aussagen von Franziskus wie etwa «Vermehrung wie Karnickel» oder das Lob für den Vater, der seinen Sohn nicht ins Gesicht schlägt.

Alternativen zum Shitstorm

Dass heute infolge des Vereinfachungs-Trends in der Sprache nur noch über Textschnipsel geredet werde und schon ein Satz einer 1000-Wörter-Rede für einen «Shitstorm» reiche, hätten bereits andere Päpste erlebt, erinnerte Schönborn. Hier finde nur ein «Instant-Check von Textfragmenten» zur Einteilung des Sprechers in «Brav- und Böse-Schubladen» ein, kritisierte der Erzbischof.

Schönborn rief auf zu einer «Debattenkultur, die uns weiterbringt»: Vordergründig sei bei dieser die gegenseitige Wertschätzung als Mensch, das Hinhören auf den Gesprächspartner und ein «Nachdenken, ob das, was einer meint, wahr ist» – nicht ein Urteil, «ob das, was einer gesagt hat, zulässig, anständig, korrekt, opportun ist». (kna)

29. März 2015 | 14:21
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