Die Regenbogenfahne - Symbol der Homosexuellen
Schweiz

Ist der «Plan Gottes» für alle verständlich genug?

Gastkommentar von Stephan Schmid-Keiser*

Zürich, 22.5.15 (kath.ch) Die Sprache von uns Kirchen-Männern verrät von Mal zu Mal eines: Sie ist in vielen Fällen nicht mehr kongruent zu dem, was Menschen verstehen. Die Insider-Begriffe, auf welche Bischof Jean-Marie Lovey Bezug nimmt (vergleiche Artikel auf kath.ch), deuten gottesdienstliches/liturgisches Handeln an als «munus sanctificandi» und als «munus sanandi» – heiligend und heilend sei dieser liturgische Dienst. Damit auch das Beten, welches Bischof Lovey anspricht. Er bleibt bei seiner Sache und tut dies auf theologisch-spirituellem Hintergrund. Nur: Weckt er damit Verständnis? Meiner Meinung nach verpasst Bischof Lovey eine verständliche Antwort.

Anders und in Französisch gefragt: Est-ce que les chauses sont tellement complexes? Je me demande: Le projet de Dieu pour toute vie sur la terre deviendra-t-il dans toute humilité de l’existence humaine en même temps aussi le projet pour chacune et chacun qui vivent leur sexualité dans leur vie personelle?

Kirchliche Sprache ist ungenügend

Die kirchliche Sprache vermag die fundamentale Solidarität in der menschlichen Ausprägung sexueller Orientierung leider bis heute nicht anzusprechen – was Nummer 55 aus dem Vorbereitungsdokument der Bischofs-Synode 2015 zum Thema Homosexualität beweist. Die dort verwendete Sprache ist ebenfalls nicht kongruent zu dem, was Menschen in ihrer unterschiedlichen sexuellen Orientierung vom Schöpfungs-Plan Gottes her verstehen können.

Zitat aus dem Vorbereitungsdokument (Nr. 55): «Einige Familien machen die Erfahrung, dass in ihrer Mitte Menschen mit homosexueller Orientierung leben. Diesbezüglich hat man sich gefragt, welche pastorale Aufmerksamkeit in diesen Fällen angemessen ist, indem man sich auf das bezog, was die Kirche lehrt: « Es gibt keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn.» Dennoch müssen Frauen und Männer mit homosexuellen Tendenzen mit Achtung und Feingefühl aufgenommen werden. «Man hüte sich, sie in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen.» (Kongregation für die Glaubenslehre, Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen, 4).»

Im Kontrast dazu hält die dezidierte Meinungsäusserung von einer grösseren Gruppe von Seelsorgenden im Bistum Basel (Dekanat Willisau / 18. März 2015) folgendes fest – und entgeht womöglich auch nicht dem Vorwurf, eine Insider-Sprache zu sprechen: «Zur Nr. 55 des Vorbereitungsdokumentes, Thema Homosexualität: In der gesellschaftlichen Situation der Schweiz war das Thema Homosexualität über viele Jahre stark tabuisiert. In unseren Augen sind alle Menschen im Plan Gottes als Personen gewürdigt. Unterschiedlich geprägte Menschen leben – sei es als Frau oder Mann – auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Zudem verdienen in der Vielfalt familialer Lebensformen die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften mehr Anerkennung in unserer Glaubensgemeinschaft. Auf diesem Hintergrund erkennen wir in Sprache und Inhalt des vorliegenden Textes einige ungereimte und unangemessene Thesen.»

Kein Phänomen «einiger»

Homosexuelle Orientierung ist nicht ein Phänomen, das nur «einige» Familien betrifft. Denn in der hiesigen Gesellschaft und den in ihr wirkenden Kirchen sind Gleichgeschlechtliche leider nachwievor von Ausgrenzung und wenig Sensibilität ihnen gegenüber betroffen. Die Achtung, die ihnen gebührt, leitet sich ebenso ab vom Plan Gottes in seiner von Grund auf guten Schöpfung wie auch aus ihrer Zugehörigkeit zum Volk Gottes.

So gesehen ist der «Plan Gottes über Ehe und Familie» nicht einseitig allein einem idealisierten Bild der Familie zuzuschreiben. Denn auch ‹homosexuellen Lebensgemeinschaften› kann ein familialer Charakter nicht abgesprochen werden. Darum gilt auch ihnen das Wort Jesu: «Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.» (Joh 10,10)

Wir möchten diese Situation mit den Augen des Glaubens betrachten und erkennen Jesus in seiner Hingabe an Gott, die er bis zum Äussersten des Menschseins ging. Von ihm sind alle getragen, die unterwegs sind zur Geborgenheit im göttlichen Geheimnis unabhängig von Hautfarbe und geschlechtlicher Zugehörigkeit. Ihr Weg ist ein von der eigenen inneren Wahrheit geprägter. Man kann mit anderen Worten auch bei den Betroffenen davon ausgehen, dass sie bewegt sind vom «Erwachen der Kirche in der Seele» (Romano Guardini in den 1920ern). Es wäre darum unangemessen, gleichgeschlechtlichen Personen die volle Zugehörigkeit zur kirchlichen Gemeinschaft abzusprechen.

Alle Getauften und Gefirmten verdienen Anerkennung

Der «Umgang» mit Gleichgeschlechtlichen führte über Jahrhunderte in der kirchlichen Gemeinschaft zu vielen Verletzungen am Gut der Menschen- und Personenwürde. Darum ist alles zu befürworten, was Personen in anderen als den klassisch anerkannten familialen Lebensformen fördernd unterstützt. Als erstes sollen in der Sprache kirchlicher Verlautbarungen angemessene Begriffe gewählt werden. In gleichgeschlechtlich Liebenden erkennen wir Personen, die mit uns auf dem Weg durch diese Weltzeit sind. Zudem verdienen sie als Getaufte und Gefirmte die Anerkennung im Volk Gottes.

Der Weg der Kirche ist der Mensch. Mit der Menschwerdung des Kindes Jesu war seine Prägung nicht einfach vorgezeichnet. Wo ein Kind in dieser Welt geboren wird, soll es nicht aufgrund seiner biologischen Mitgift an den Rand geschoben werden. Wir erwarten, dass die Bischöfe vergangene Verletzungen an Gleichgeschlechtlichen offen benennen und im Namen der Kirche Zeichen der Umkehr setzen. (ms)

* Stephan Schmid-Keiser, Dr. theol., ist Koordinator/Seelsorger in der Pfarrei Maria Himmelfahrt, Ettiswil LU

Die Regenbogenfahne – Symbol der Homosexuellen | © manwalk / pixelio.de
22. Mai 2015 | 11:51
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