Hören ja – singen nein: Genf verbietet Schülern Auftritt in Bibel-Kinderoper von Britten

Genf, 27.5.15 (kath.ch) Die Kinderoper «Noahs Sintflut» von Benjamin Britten (1913-1976) dürfen sich die Genfer Primarschüler anhören. Singen dürfen sie das Werk aber nicht. Das hat das Genfer Bildungsdepartement beschieden. Es beruft sich auf die Bundesverfassung und die Laizität des Kantons Genf, wie es beim Departement auf Anfrage hiess. Man habe unter Zeitdruck entschieden, erklärte rechtfertigend eine Sprecherin gegenüber kath.ch.

Georges Scherrer

Vor rund zwanzig Jahren sagte die Stadt Genf ihre Unterstützung für die Aufführung des Theaterstücks «Der Fanatismus oder Mohammed der Prophet» des Französischen Denkers Voltaire wegen muslimischer Bedenken ab. Jetzt traf es Benjamin Britten und seine Kinderoper «Noahs Sintflut» (Noyes Fludde). Das Genfer Kammerorchester wollte das Werk aufführen. Das sich offen und multikulturell gebende Genf, welches sich gern auf den Freiheitskämpfer Rousseau beruft, meldete wegen der Oper Bedenken an.

Wie die stellvertretende Generalsekretärin des Bildungsdepartements der Republik und des Kantons Genf, Teresa Skibinska, gegenüber kath.ch ausführte, beruft sich das Departement beim Verbot auf Artikel 15 der Bundesverfassung, der die Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährleistet. Gemäss Absatz vier darf niemand gezwungen werden, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen.

Singen ist religiöse Handlung

Aus der Sicht des Genfer Bildungsdepartementes ist das «Singen eines biblischen Werkes, insbesondere von Texten mit starker religiöser Konnotation» vergleichbar mit dem «Vollzug einer religiösen Handlung», erklärte Skibinska. Das Singen der besagten Oper sei darum nicht vereinbar mit der Bestimmung in der Bundesverfassung.

Die Direktion der Bildungsdepartementes ist ferner der Ansicht, dass die Beteiligung der Primarschüler an der Oper der Laizität oder «religiösen Neutralität» widerspreche, welche für die Schulen im Kanton gilt. Primarschüler seien zudem in Fragen des Glaubens nicht gefestigt.

Kanton lässt ein Hintertürchen offen

Hingegen sei es erlaubt, dass die Primarschüler das Werk Brittens «wie andere religiöse Werke auch» anhören. Das sei in den Klassen nicht verboten, so die Sprecherin des Departements. «Noahs Sintflut» stelle ein bedeutendes Musikwerk dar, «welches die volle Aufmerksamkeit verdient, die ihr Lehrer nur geben können».

Das Departement schliesse jedoch nicht aus, dass die Kinderoper zu einem späteren Zeitpunkt aufgeführt werden könnte. Man habe aufgrund des gedrängten Zeitplans den Entscheid über das Verbot sehr schnell fällen müssen, so die Departementsprecherin. Im Hinblick auf den Druck des Programmheftes sei es nicht möglich gewesen, sämtliche Details rechtzeitig zu klären. Neben der Frage der «Laizität» habe auch die Qualität der Übersetzung des Werks aus dem Englischen in die französische Sprache zu Diskussionen geführt. Im Gegensatz zur englischen Version habe die Übersetzung nicht dem Alter der Primarschüler Rechnung getragen.

Verschiedene Genfer Politiker sprechen von «Zensur». «Wenn man diese Idee weiterdenkt, kann man nicht einmal den Glöckner von Notre Dame von Victor Hugo studieren», erklärte der Genfer Abgeordnete Jean Romain (FDP) gegenüber «20minutes». Das Departement liess die kath.ch-Frage offen, ob Aufführungen von Werken mit religiösem Inhalt wie Parsifal von Richard Wagner oder «Die Macht des Schicksals» von Giuseppe Verdi an den Schulen oder der vom Kanton unterstützten Oper auch dem in der Bundesverfassung unter Artikel 15 festgehalten Verbot unterliegen. (gs)

Die Arche Noah in einem Kirchenfenster | © Dieter Schütz / pixelio.de
27. Mai 2015 | 12:26
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