Tagungsort des Konstanzer Konzils beim Hafen von Konstanz (D)
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Gedenken an einen Ketzer – Die Konzilsstadt Konstanz erinnert an den Theologen Jan Hus

Konstanz, 5.7.15 (kath.ch) Käme Jan Hus heute noch einmal nach Konstanz – verlaufen würde sich der böhmische Theologe nicht. Denn die meisten Häuser der Altstadt stammen aus der Zeit zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert. Vor genau 600 Jahren reiste Hus in die Stadt am Bodensee, um seine Thesen für eine Erneuerung der Kirche zu verteidigen. Seinen Ausflug von Prag an den Fuss der Alpen bezahlte er mit dem Leben, da die mächtige Kirchenversammlung des Konstanzer Konzils ihn – trotz der Zusage freien Geleits – wegen Irrlehren zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilte.

Michael Jacquemain

Seit 2014 und noch bis 2018 erinnert Konstanz an das Konzil als «Weltereignis im Mittelalter», zu dem zwischen 1414 und 1418 Vertreter aus aller Herren Länder des Kontinents gekommen waren. Nicht nur die Stadt, das Land Baden-Württemberg und die grossen Kirchen beteiligen sich am Jubiläumsprogramm, sondern auch die Bodensee-Anrainer Schweiz und Österreich; und die Tschechische Republik – denn Jan Hus ist eine zentrale Identifikationsfigur des Landes. Sein Todestag, der 6. Juli, ist dort seit dem Jahr 2000 ein staatlicher Feiertag.

Heutiges Nobelhotel diente als Kerker

Im Mittelpunkt des Konstanzer Gedenkens steht derzeit Hus; der Mann, der nur wenige Wochen als freier Mensch, aber mehr als ein halbes Jahr als Gefangener in Konstanz war. Dort, wo man früher annahm, dass der Gelehrte seine erste Konstanzer Phase verbrachte, steht heute das Hus-Haus. Das Museum in der Hussenstrasse 24 zeigt eine neue Dauerausstellung, die einen Einblick ins mittelalterliche Alltagsleben und ins Denken des Reformators geben will. Seit der Eröffnung im Sommer 2014 waren mehr als 15.000 Besucher in dem Fachwerkhaus neben dem Schnetztor, darunter auch protestantische Christen aus aller Welt, wie das Gästebuch ausweist.

Eingekerkert war Hus zunächst im früheren Dominikanerkloster, das heute zu einem noblen Hotel umgewandelt ist und in dem die Suite über dem früheren Verlies 300 Euro pro Nacht kostet, Seeblick inklusive. Neben einer zwölfstöckigen Bausünde ausserhalb der Altstadt und mitten in einem Wohngebiet auf einer kleinen Verkehrsinsel steht der 1862 errichtete Hussenstein. Der gewaltige Findling erinnert an den Ort, an dem sich Hus noch unmittelbar vor dem Anzünden des Holzstosses weigerte, von seinen Thesen Abstand zu nehmen.

Buntes Kulturprogramm

Historische Rundgänge mit mittelalterlich kostümierten Stadtführern erläutern jene Orte, die mit Hus und der Kirchenversammlung in Verbindung stehen. Etwa das gotische Münster der Stadt, in dem am Morgen des 6. Juli 1414 der Schuldspruch des Konzils verkündet wurde. Doch Konstanz will sich mit dem Konzilsgedenken nicht nur historisierend, sondern auch als ein moderner «Ort für europäische Begegnungen und Dialog» präsentieren, wie es das Stadt-Marketing beschreibt. Bunt und vielfältig ist das Kulturprogramm, das Konstanz auf die Beine gestellt hat, mit Ausstellungen, Musik, Theater und Kunst. Auch die Wissenschaft leistet ihren Beitrag: Die Uni Konstanz setzt sich mit der Frage der Wirkungsgeschichte des böhmischen Reformators auseinander.

Konzilswein und Konzilsbier

Mit Spannung wird der ökumenische Gottesdienst am Todestag des Theologen im Münster erwartet. Schliesslich hatte Papst Johannes Paul II. zum Heiligen Jahr 2000 um Vergebung für die Leiden des Reformators gebeten und das Denken von Jan Hus gewürdigt. Doch wie könnte ein nächster Schritt zur Versöhnung mit der 1919 gegründeten Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche und ihren rund 50.000 Mitgliedern aussehen? Jenseits solch schwieriger Debatten bietet die Stadt zum Jubiläum Konzilswein und Konzilsbier an: Produkte, die Jan Hus ebenfalls bekannt vorkommen würden.

Hinweis für Redaktionen: Fotos finden Sie in der KNA-Bild-Datenbank auf www.kna-bild.de (kna)

Tagungsort des Konstanzer Konzils beim Hafen von Konstanz (D) | © Barbara Ludwig
5. Juli 2015 | 15:20
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Konstanzer Konzil

Konstanz, 5.7.15 (kath.ch) Zum Konstanzer Konzil kamen zwischen 1414 und 1418 Tausende Gesandte, Bischöfe, Gelehrte und Fürsten in der Bodensee-Stadt zusammen. Ziel der Versammlung war es, die damalige Kirchenspaltung zu überwinden. Seit 1378 war die abendländische Christenheit gespalten; zeitweise bekämpften sich drei Päpste und deren jeweilige Unterstützer.

Konflikte schwelten weiter

Vor allem auf Druck und durch den Einfluss des deutschen Königs Sigismund (1411-1437) gelang in Konstanz mit der Wahl von Papst Martin V. (1417-1431) ein Neuanfang. Zudem vereinbarten die Konzilsteilnehmer, kirchliche Reformfragen künftig in regelmässigen Abständen bei einem Konzil zu beraten – eine Idee, die sich jedoch später gegen wiedererstarkende Päpste nicht durchsetzte. Viele Probleme und Konflikte schwelten daher weiter und mündeten schliesslich in die Reformation.

Inhaltlich beschäftigte sich die Konzilsversammlung am Bodensee auch mit reformatorischen Strömungen. Am folgenreichsten war die Auseinandersetzung mit dem böhmischen Theologen Jan Hus: Der Prager Magister wurde als Ketzer verurteilt und am 6. Juli 1415 in Konstanz auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Das Gedenken an den Kirchenreformer steht derzeit im Mittelpunkt des Jubiläumsprogramms.

Versammlung machte auch weltliche Machtpolitik

Das Konzil war eine der grössten Versammlungen des Mittelalters mit kaum zu überschätzender Bedeutung im Blick auf einen internationalen kulturellen und intellektuellen Austausch. In Konstanz wurde nicht nur Kirchenpolitik, sondern auch weltliche Machtpolitik gemacht. Bis 2018 wollen die Stadt Konstanz, das Land Baden-Württemberg und die Kirchen an das Konzil erinnern. (kna)