«Die Tränen versiegen» – Trauma-Arbeit mit syrischen Flüchtlingen in der Schweiz

Thal SG, 18.4.15 (kath.ch) Die Steyler Missionare haben letzten August 60 syrische Flüchtlinge aufgenommen. Untergebracht sind sie noch bis Ende Jahr im ehemaligen Gymnasium Marienburg in Thal (SG). Diese Woche informierten die Verantwortlichen über das Leben der traumatisierten Menschen, wie das St. Galler Tagblatt am 18. April berichtet.

Michael Forster, Projektverantwortlicher in der Marienburg, erzählte an der Informationsveranstaltung im Restaurant «Ochsen» in Thal (SG) von den Traumatisierungen der Flüchtlinge, er wies insbesondere auf den Zustand der Kinder hin: «Sie sind seelisch verwahrlost, suchen permanent Geborgenheit. Ein Mädchen etwa sass in der Schule den ganzen Morgen neben mir. Sie weinte. Schliesslich legte ich ihr einfach die Hand auf die Schulter. Die Tränen versiegten und seit diesem Tag kommt sie immer strahlend zu mir, wenn sie mich sieht», erzählt Forster laut Zeitung.

Schwerpunkt Trauma-Behandlung

Als Reaktion auf den Zustand der Kinder sei das Pensum des Psychotherapeuten aufgestockt worden. Die Marienburg setze generell einen Schwerpunkt auf Psychotraumatologie. Laut Roger Hochreutener, Geschäftsführer der Vereinigung der St. Galler Gemeindepräsidenten (VSGP), die für die Flüchtlingsbetreuung zuständig ist, hat die Behandlung sehr gut angeschlagen: «Alle Erwachsenen haben nahe Angehörige verloren, einige wurden gefoltert, angeschossen oder vergewaltigt. Diese Traumata konnten sie mit den Psychiatern aus Ägypten sofort und in ihrer Muttersprache angehen.»

Beim Verlassen der Marienburg brauchten die Flüchtlinge entsprechend keine intensive psychiatrische Betreuung mehr, sondern könnten ambulant behandelt werden.

Wenn die Flüchtlinge die Marienburg verlassen, können sie in eine St. Galler Gemeinde ziehen. Dazu müssten sie jedoch gesundheitlich stabil sein und sich sprachlich und sozial zurechtfinden. Entsprechend wichtig sei der Deutschunterricht: Die Erwachsenen lernten nach Geschlechtern getrennt und in zwei Niveaus, die Kinder seien den entsprechenden Klassenstufen zugeteilt, vom Kindergarten bis zur Oberstufe. Die Rückmeldungen zu den bereits eingeschulten Kindern seien positiv: «Die Kinder machen rasch Fortschritte. Natürlich fehlt ihnen oft noch die Grammatik, aber wenn sie gehen, können sie Fragen stellen und beantworten und etwas erzählen», sagt Oberstufenlehrerin Claudia Kugler, die in der Marienburg Deutsch unterrichtet.

Gutes Beispiel kirchlicher und staatlicher Zusammenarbeit

Stephan Dähler, Provinzial der Steyler Missionare in der Schweiz, hatte letzten Sommer erklärt, gerade Ordensgemeinschaften müssten für die Ausgegrenzten und Verfolgten da sein. Markus Büchel, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, hatte das Vorgehen der Steyler Missionare gelobt als «gutes Beispiel der Zusammenarbeit kirchlicher, staatlicher und ziviler Kräfte, die in solchen Krisen nötig ist», sagte er im Juli gegenüber der «Sonntagszeitung».

Die Schweiz hatte sich im letzten Jahr bereit erklärt, innert drei Jahren 500 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Ein knappes Drittel dieses Kontingents hatte der Kanton St. Gallen übernommen. (sys)

18. April 2015 | 13:00
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!