Fronleichnam in Luzern
Schweiz

Die Hostie ist gemäss der UBI kein wesentlicher Glaubensinhalt

Aarau, 26.8.16 (kath.ch) Als Lehrstück in der aktuellen Wertedebatte über Religion erwies sich die Verhandlung der Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI über die Hostien-Satire von Giacobbo-Müller. Die UBI stützte die SRF-Satiriker. Ausschlaggebend für den Entscheid dürfte die Distanz vieler Katholiken zu ihrer Kirche gewesen sein.

Georges Scherrer

Ehrwürdig tagte die UBI am 25. August in einem der Gerichtssäle des Obergerichts des Kantons Aargau. Im Halbkreis sassen elf Vertreter der UBI hinter Pulten auf den Richterstühlen. Ihnen gegenüber hatten im Publikumsraum die Beschwerdeführer Platz genommen. Sie hatten während der Verhandlung kein Rederecht. Sie hörten sich vielmehr still die «öffentliche Verhandlung» an.

Auch der Anwalt der beschwerdeführenden Organisation «Jugend und Familie/IG Familie 3plus», Franz Xaver Weber, musste schweigen. Die UBI verhandelte eine Beschwerde gegen die SRF-Sendung «Giacobbo-Müller». Die beiden Satiriker hatten sich nach Ansicht der Beschwerdeführer über einen zentralen Glaubensinhalt der katholischen Kirche, die Eucharistiefeier, lustig gemacht.

In der Mundart zulässig

Berichterstatterin an der Verhandlung war das UBI-Mitglied Mascha Santschi Kallay. Sie ist Rechtsanwältin und Kommunikationsberaterin. Santschi Kallay gab für die Verhandlung den Ton vor. Die Bundesverfassung schütze die Glaubens- und Gewissensfreiheit, also auch die Position von Atheisten. Die Sprecherin sagte weiter, die Beschwerde sei dann zulässig, wenn die Satiriker in «erheblicher Weise» einen Glaubensinhalt berühren.

Der Ausdruck «vegetarisches Zeug», den Mike Müller als Bezeichnung für die Hostie benützte, sei aus Sicht der Beschwerdeführer bösartig. Die UBI-Berichterstatterin war hingegen der Auffassung, dass in der Mundart das Wort «Zeug» keine negative Konnotation habe. Emotional sei die Haltung der Beschwerdeführer verständlich. Rational betrachtet handle es sich bei der Hostie um ein «vegetarisches» Produkt.

Rational betrachtet ist die Hositie ein «vegetarisches» Produkt.

Im Zusammenhang mit den Pädophilie-Skandalen in der katholischen Kirche habe sich Papst Johannes Paul II. für den Missbrauch entschuldigt. In der Satire sei der Begriff «fleischliche Gelüste», wie ihn in der Satiresendung die «Kunstfigur» Müller benützte, zulässig. Kritik und Auseinandersetzung müssten möglich sein. Die Verletzung der Religionsfreiheit sei darum nicht «erheblich». Aus rechtlichen Gründen sei die Popularbeschwerde von «Jugend und Familie/IG Familie 3plus» abzuweisen.

Eucharistie und Konfessionen

In seinem Votum erklärte UBI-Präsident Vincent Augustin, Rechtsanwalt in Chur, die Eucharistie- oder Abendmahlsfeier habe in den verschiedenen Konfessionen ein unterschiedliches Gewicht. Die Kirchen der Reformation und auch Freikirchen würden die Feier des Abendmahls anders werten als die katholische Kirche. In seiner Gesamtheit habe der SRF-Beitrag die Kirche nicht angegriffen.

UBI-Vizepräsidentin Claudia Schoch Zeller, Rechtsanwältin und Rechtskonsulentin, erklärte, die Äusserungen der Satiriker sei für Katholiken «unerhört». Die Satiriker müssten aber die Wahrnehmung der Katholiken nicht übernehmen, hätten diese aber auch nicht abgewertet. Die «fleischlichen Gelüste» verwiesen auf gewissen Würdenträger der Kirche. Diese seien als Personen der Öffentlichkeit vor Satire jedoch nicht geschützt.

«Erheblichkeit» ist gegeben

Reto Schlatter, Studienleiter der Schweizer Journalistenschule MAZ in Luzern, warnte davor, die Äusserungen der beiden Satiriker «Wort für Wort» auseinanderzunehmen. In der Gesamtaussage seien die beiden aus der Perspektive der Gläubigen «zu weit gegangen». Das UBI-Mitglied wies darauf hin, dass das Publikum in der Live-Sendung bei der beanstandeten Stelle nicht in Gelächter ausgebrochen sei, sondern verhalten reagiert habe. Die «Erheblichkeit» sei gegeben. Schlatter stellte sich in Schlussabstimmung als einziges Mitglied der Beschwerdeinstanz auf die Seite der Beschwerdeführer.

Vor der Abstimmung lag das Schlusswort noch einmal beim Präsidenten. Ihm kam in seinem Votum der Begriff Transsubstantiation ohne Makel über die Lippen. Die Wesensverwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi bei der Eucharistiefeier sei ein «gewaltiger Hochseilakt». Viele Durchschnittskatholiken würden heute nicht mehr an die Realpräsenz Christi bei der Wandlung glauben. Darum sei es fraglich, ob es sich bei der Eucharistiefeier um einen wesentlichen Glaubensinhalt handle.

Durchschnittskatholiken glauben nicht mehr an die Wandlung.

Der Präsident wies weiter auf die Relativierung der Glaubensinhalte in der Gesellschaft hin. Diesen Prozess nannte er eine Realität in der Entwicklung hin zu einer Säkularisierung. Der Rückgang bei den Gottesdienstbesuchen dokumentiere diese Entwicklung.

Die Glaubensfreiheit sei heute einer Dynamik unterworfen, welche die UBI bei ihrem Entscheid berücksichtigen müsse. «Ich habe gerungen», sagte der Churer Rechtsanwalt und gab abschliessend zu bedenken: Die UBI müsse bei realvorhandenen Glaubensbekenntnissen äusserst vorsichtig sein, wie sie sich darüber äussere und bedenken, ob eine Glaubensverletzung vorliege. In der Schlussabstimmung wies das Gremium die Beschwerde zurück.

Hier zur kritisierten Sendung von Giacobbo/Müller. Die beanstandete Stelle befindet sich ab Minute 22.18.

Fronleichnam in Luzern | © Sylvia Stam
26. August 2016 | 23:00
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Katholiken sind zu wenig laut

«Wir sind offenbar viel zu ängstlich», sagte nach der Anhörung die Präsidentin der beschwerdeführenden Organisation «Jugend und Familie/IG Familie 3plus», Käthi Kaufmann-Eggler, gegenüber kath.ch. Die UBI habe angetönt, wenn es um den Islam gegangen wäre, hätte sie sich viel vorsichtiger mit dem Thema befassen müssen.

«Wir müssen viel grundsätzlicher und überzeugender auftreten», fordert darum die Katholikin. Der Katholizismus werde immer mehr relativiert. Man habe den Eindruck, als würden die Glaubensinhalte zunehmend verwässert und darum sei alles erlaubt – auch in künftigen Satiresendungen.