Deutsche Sozialethiker verlangen Asyl auch für Armutsflüchtlinge

Benediktbeuern, 3.8.15 (kath.ch) Die katholischen Sozialethiker Hans Tremmel und Martin Schneider halten nichts von der Abgrenzung zwischen politisch Verfolgten und Wirtschafts- oder Armutsflüchtlingen. Leib und Leben würden nicht nur durch Verfolgung und Folter bedroht, «sondern auch durch Armut und Hunger», heisst es in einem Beitrag in der Internationalen Katholischen Zeitschrift «Communio». Es gehe um elementare Daseinsansprüche und damit um Menschenrecht. Deshalb sei es notwendig, den Flüchtlingsbegriff auszuweiten. Der Schweizer Theologe Martin Grichting äusserte kürzlich eine ganz andere Position zum Thema Asyl.

Der Leidensdruck könne sehr subjektiv sein, warum Menschen auf ungünstige politische, wirtschaftliche, soziale, demografische und ökologische Bedingungen mit Migration reagierten, schreiben die Theologen. «Objektiv aber verbindet sie die Hoffnung auf ein besseres Leben fern der Heimat.» Deshalb werde die strittige Frage sein, «ob Not ein für das Asylrecht oder den Flüchtlingsschutz hinreichender Fluchtgrund ist.» Tremmel ist Professor für Theologie und Ethik in der sozialen Arbeit an der Katholischen Stiftungsfachhochschule in Benediktbeuern, Martin Schneider ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Christliche Sozialethik in München.

Kritik an Dublin-Regeln und Grenzmanagment

Kritik üben die Autoren an der Einschränkung des Grundrechts auf Asyl durch die europäische Gesetzgebung. Mit der Regelung der sicheren Dritt- und Herkunftsstaaten sei die Inanspruchnahme des deutschen Asylverfahrens «nahezu verunmöglicht» worden. Die Dublin-Regeln, nach denen Flüchtlinge in jenes Land der EU zurückgeschoben werden, in dem sie erstmals registriert wurden, dürfe nur auf jene Staaten angewendet werden, in denen rechtsstaatliche Mindestanforderungen gewährleistet seien. Dies sei nicht überall der Fall. «Der unbedingte Schutz der Menschenwürde hat Priorität vor der Frage, wer wo zum ersten Mal europäischen Boden betreten hat.»

Auch die Annahme, dass sich die Mitgliedsstaaten als ein solidarischer Raum verstünden, in denen die Lasten angemessen verteilt würden, halte «dem Realitätstest nicht stand», schreiben Tremmel und Schneider. Ein grundlegendes ethisches Problem machen sie zudem am europäischen Grenzmanagement fest. Es gebe eine zunehmende Verlagerung der Verfahrens vom Rechtsweg auf rein polizeiliche Massnahmen. Im Mittelpunkt stehe nicht mehr die Frage, wie ein Ort der Zuflucht geschaffen und Menschen zu ihrem Recht verholfen werde. «Der Fokus ist auf Abschreckung, Kontrolle und baldige Abschiebung gerichtet.»

Der Schweizer Theologe Martin Grichting, Generalvikar im Bistum Chur, hatte demgegenüber kürzlich in der Boulverardzeitung Blick gefordert: «Kein Asyl für Wirtschaftsmigranten». (kna)

Irakische Flüchtlinge warten auf Ausreise in den Westen | © 2014 Andrea Krogmann
3. August 2015 | 14:50
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