Patrick Streiff, Bischof der evangelisch-methodistischen Kirche (EMK)
Schweiz

Methodistischer Bischof: Volle Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Kirche

Zürich, 22.9.2015 (kath.ch) Der Schweizer Bischof Patrick Streiff steht der evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) in insgesamt 15 Ländern in Mittel- und Südeuropa sowie Nordafrika vor. Der aus Birsfelden (BL) stammende Streiff stellt im Gespräch mit kath.ch die ökumenische Gesinnung der Methodisten heraus und betont, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der EMK einen sehr hohen Stellenwert hat.

Norman Zöllner/Sylvia Stam

Was ist das besondere Charisma der evangelisch-methodistischen Kirche?

Patrick Streiff: Kennzeichen der Methodisten ist laut deren Gründer John Wesley die Erfahrung, dass die Liebe von Gott ins Herz gegossen ist. Dadurch soll man Gott mit ganzem Herzen lieben und seine Nächsten wie sich selbst. Das gilt natürlich für alle Christen. Wir wollen Christen sein, die die biblische Botschaft ernst nehmen, von ihrem Kern her, dem Doppelgebot der Liebe. Wir wollen uns nicht abgrenzen oder anders sein. Darum haben Methodisten eine sehr ökumenische Gesinnung.

Es geht also um Gottes- und Nächstenliebe. Wie zeigt sich das konkret im Alltag?

Streiff: Zuerst geht es darum, Gott zu lieben, was eine Veränderung des eigenen Lebens bewirkt. Die Nächstenliebe zeigt sich im Engagement für Arme und Benachteiligte. Die Methodisten haben weltweit viel für die Gesundheitsfürsorge getan, Schulen und Universitäten errichtet, besonders in Zeiten und Ländern, wo der Staat hier nicht präsent ist.

Wo sind die Methodisten heute in der Schweiz im sozialen Bereich präsent?

Streiff: Zu nennen sind hier Diakoniewerke wie Bethanien Zürich oder Bethesda Basel, die Alters- und Pflegeheime. Es gibt ein Projekt zur Reintegration von magersüchtigen Frauen. Sehr viel läuft in den Gemeinden im Moment in der Migrationsarbeit, zum Beispiel Rechtsberatung oder Nachhilfestunden für Kinder. Solche Projekte sind basisnah und oft unspektakulär.

Ist Evangelisation ein Thema?

Streiff: Es ist uns ein Anliegen, das Evangelium nicht nur in der Tat, sondern auch im Wort weiterzugeben. Der persönliche Glaubensbezug ist heute etwas Privates geworden. Es ist eine Herausforderung, das, was man tut, auch mit Worten zu begleiten, ohne dass daraus eine Vereinnahmung wird. Innerhalb der Gemeinde sind wir mit den Fragen unterwegs, wie wir wieder lernen können, Menschen in die Nachfolge Christi zu führen, auch wenn sie das dann allenfalls in einer anderen Kirche leben. Wir wollen bewusst auch über die Komfortzonen bisheriger Gemeindearbeit hinausgehen und in neue Welten eintauchen. Der Glaube gehört zum Leben dazu.

Wo unterscheidet sich die EMK von der römisch-katholischen Kirche?

Streiff: Die EMK ist auch eine weltweite Kirche. Bei vielen Katholiken spüre ich aber stärker das Bewusstsein, dass es nicht um mich allein und um meine Beziehung zu Gott oder um meine Ortsgemeinde geht, sondern um etwas Grösseres, dass Kirche mehr ist. Das schätze ich und ist viel präsenter als im Protestantismus. Ein weiterer Unterschied ist sicher der strukturelle Aufbau der EMK. Es gibt zwar auch ein Bischofsamt, aber zugleich ein starkes synodales Element die «Jährlichen Konferenzen», an denen Pfarrer und Laien in gleicher Zahl teilnehmen und über die Arbeit in ihrem jeweiligen Gebiet entscheiden.

Wie sieht die EMK die Rolle der Frau innerhalb der Kirche?

Streiff: In der EMK gilt bereits seit 1956 die volle Gleichberechtigung von Mann und Frau, auf allen Ebenen der Kirche und in allen Ämtern. Meines Wissens ist die EMK sogar weltweit die erste Kirche, die eine Frau ins Bischofsamt wählte. Bereits in den frühen 80er Jahren wurde in Amerika die erste Frau Bischöfin. Heute sind dort rund zwanzig bis dreissig Prozent aller Bischöfe Frauen. Frauenordinationen gab es erstaunlicherweise zuerst in Osteuropa, z.B. in Ungarn. Mittlerweile ist die Ordination von Frauen in der EMK gang und gäbe.

Die bevorstehende Bischofssynode bewegt viele Katholiken. Ein heiss diskutiertes Thema ist der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Ist das ein Thema in der EMK?

Streiff: Die Wiederverheiratung Geschiedener ist in der EMK bereits seit vielen Jahren möglich. Die Verantwortung hierfür liegt beim Pfarrer bzw. der Pfarrerin der Ortsgemeinde. Ein Passus in der Kirchenordnung regelt, dass eine besondere Sorgfalt angewendet werden soll, um festzustellen, ob die Voraussetzungen zu einer treuen, ehelichen Gemeinschaft erfüllt sind.

Wie steht die EMK zu Homosexuellen?

Streiff: Die Rolle Homosexueller ist auch in der EMK ein sehr umstrittenes Thema und wird an der weltweiten Generalkonferenz alle vier Jahre heiss diskutiert. Es hat seit den siebziger Jahren Studienprozesse in der EMK gegeben. Die Generalkonferenz legt die Sozialen Grundsätze fest. Diese Grundsätze betonen den Wert und die Würde jedes Menschen, ungeachtet seiner geschlechtlichen Ausrichtung. Gleichgeschlechtliche Liebe soll nicht, wie in manchen Ländern Afrikas der Fall, unter Strafe gestellt werden. Sie wird aber als mit dem Evangelium nicht vereinbar betrachtet. Dies führt auch dazu, dass im Moment die Kirchenordnung ein Verbot enthält, dass selbstbekennende und praktizierende Homosexuelle Pfarrer werden können. Die Segnung und Heirat von Homosexuellen ist in der EMK nicht möglich. Es wird aber auch an der Generalkonferenz 2016 wieder intensive Diskussionen geben, weil die Interpretation des Evangeliums in diesem Bereich umstritten ist.

Ein Wort zum Flüchtlingselend. Wie geht die EMK damit um?

Streiff: Als EMK versuchen wir vor Ort präsent zu sein und die Menschen zu sensibilisieren. Bereits im Frühjahr, als die Flüchtlingswelle in den Medien noch kein so grosses Thema war, hatten wir eine Meldung aus Mazedonien über die dortigen Flüchtlinge, die von Griechenland her den Eisenbahnlinien entlang zu Fuss Richtung Westeuropa unterwegs waren. Kirche ist im Gegensatz zu Medien, die meist ausschliesslich auf kurze, schnelllebige Hypes setzen, schon immer an vielen Orten präsent, kann informieren, Bewusstsein schaffen und sozial-diakonisch tätig sein. Ein Beispiel: in Strumica (Stadt in Mazedonien, Anm. d. Red.) führen wir seit Jahren das Projekt «Essen auf Rädern», wo alte und sehr arme Menschen einmal pro Tag eine warme Mahlzeit erhalten. Jetzt bringen wir auch Flüchtlingen Essen und Wasser. In Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen versucht die EMK in verschiedenen Ländern entlang der Balkanroute, Flüchtlingen zu helfen. (nz/sys)

 

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Patrick Streiff, Bischof der evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) | © 2015 kath.ch
22. September 2015 | 07:30
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Die Evangelisch-methodistische Kirche (EMK) in der Schweiz gehört seit rund 150 Jahren zur Schweizer Kirchenlandschaft. Sie umfasst heute 120 Gemeinden mit rund 12’500 Mitgliedern und Freunden. Ihre Anfänge gehen auf die beiden anglikanischen Pfarrer John und Charles Wesley zurück, die im 18. Jahrhundert in England lebten. Der Begriff «methodistisch» war ursprünglich ein Spottname für die hoch strukturierte Lebensweise eines Studentenkreises an der Universität Oxford, dem damals auch die Brüder Wesley angehörten. Dazu gehörten tägliche Bibellektüre, Gebet, Fasten und Wohltätigkeit. Mehr Informationen auf Website der EMK Schweiz.

Erwachsene Vollmitglieder (Auszug)

Frankreich:         1’350

Österreich:         734

Schweiz:              6’027

Deutschland:     30’000